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1919 | 2019
Zum Auftakt der Jubiläumsspielzeit ‚Ein Jahrhundert Palast‘ wurde am 17.09.2019 ein Fassadenteil der alten Markthalle, aus der 1919 das Große Schauspielhaus hervorging, enthüllt. 2016 wurde das imposante Originalteil auf einem Kreuzberger Hinterhof „wiederentdeckt“ und in der Folge professionell restauriert.
1867Der alte Friedrichstadt-Palast entsteht nicht an der Friedrichstraße, sondern am Schiffbauerdamm. 1867 wird dort die erste Markthalle Berlins nach Pariser Vorbild errichtet, die aber mangels Kundschaft schon nach sechs Monaten schließen muss.
1867
Der alte Friedrichstadt-Palast entsteht nicht an der Friedrichstraße, sondern am Schiffbauerdamm. 1867 wird dort die erste Markthalle Berlins nach Pariser Vorbild errichtet. Die anspruchsvolle Eisenkonstruktion ist hochmodern, muss aber mangels Kundschaft schon nach sechs Monaten schließen. Zurück bleibt eine leere Hülle – mit großem Potential für die Unterhaltungskultur.
Zwei Jahre, von 1865 bis 1867, dauert der Bau der ersten Markthalle Berlins. Sie entsteht nach den Plänen Friedrich Hitzigs, eines Stararchitekten seiner Zeit. Auf einer Grundfläche von 84 mal 64 Metern werden 800 Holzpfähle in den Sumpf des Spreeufers gerammt. Darüber entsteht ein riesiges Bauwerk aus Eisen und Glas. Das Pankewasser, das mitten durch die Halle geleitet wird, soll Lebensmittel und Blumen frisch halten und den Verkauf lebender Fische erlauben. Das zu großen Teilen vom „Eisenbahnkönig“ Henry Strousberg finanzierte Projekt erweist sich indes schnell als gigantische Fehlinvestition. Bereits im April 1868 muss die Markthalle endgültig schließen: Weitab vom damaligen Berliner Zentrum wird sie von der Kundschaft nicht angenommen. Nach einer Zwischennutzung als Lagerhalle zieht 1873 mit dem Markthallen-Circus das erste Unterhaltungsgewerbe ein.
1897
Der Circus Renz schließt am 31. Juli 1897. Die neuen Pächter, Bolossy Kiralfy und Hermann Haller, bauen um. Wieder einmal. Vier der acht Säulen, auf denen die achteckige Kuppel des Zirkus ruhte, werden entfernt, die neue Bühne ist jetzt 44 Meter breit. Ebenso groß klingt auch der neue Name: „Neues Olympia Riesentheater“.
Nicht nur die Bühne wird von Kiralfy und Haller verbreitert, auch bekommt das Gebäude zum ersten Mal ein Bühnenhaus. Die Säulen, die für diesen Umbau weichen müssen, werden für den späteren Architekten des Großen Schauspielhauses, Hans Poelzig, eine besondere Herausforderung darstellen. Das Pankewasser, das schon zu Zeiten der Markthalle Blumen und Fische im Untergeschoss frisch hielt und mit dem Jakob Renz die Manege flutete, wird auch für die gigantomanischen Bühnenspektakel benötigt. Zur Eröffnung mit der Pantomime „Constantinopel“ stehen angeblich eintausend Mitwirkende auf der Bühne. Die Postkarte aus dem Etablissement verspricht orientalischen Ausstattungspomp, Kamele inbegriffen.
Kiralfy und Haller sehen sich aber einer stärker werdenden Konkurrenz kleinerer und größerer Unterhaltungsstätten gegenüber. „Apollo-Theater“, das neue „Metropol-Theater“ und der „Wintergarten“, der schon dem Circus Renz das Leben schwer machte, unterhalten mit Witz und Chic die Zuschauer. Dem setzen Kiralfy und Haller puren technischen Aufwand entgegen. Das Publikum fällt seine Entscheidung – nach nur zwei Jahren endet das Riesentheater-Zwischenspiel.
1910
Mit der Inszenierung des Dramas „Koenig Oedipus“ von Sophokles sprengt Max Reinhardt die bekannten Schauspielkonventionen. Die Bühne in der Zirkusmanege, mitten unter den Zuschauern, wirkt sensationell. Berühmte Stars und mit Musik unterlegte Massenszenen faszinieren das große Publikum. Reinhardts „Theater der 5000“ ist von der Antike inspiriert, aber für die Gegenwart geschaffen – und wird ein Riesenerfolg.
„König Oedipus“ ist die erste Bühnenproduktion der Neuzeit, die sich an ein Massenpublikum richtet. Nach dem Auftakt in München kommt das Gastspiel des Deutschen Theaters im Berliner Circus Schumann groß heraus. Max Reinhardt verwirklicht hier seine Idee des Arenatheaters: Wie im alten Griechenland will er Schauspielkunst für alle darbieten, und das zu erschwinglichen Preisen. Zugleich soll der antike Stoff die Zuschauer der Gegenwart erreichen. Reinhardt setzt auf eine moderne Fassung des Stückes, die Hugo von Hofmannsthal geschaffen hat, und engagiert Theatergrößen wie Paul Wegener und Tilla Durieux für die Hauptrollen. Mit einer völlig neuen Regiesprache – perfekt choreographierten Massenszenen, raffinierter Lichtführung und exotischen Klängen – adaptiert er die Szenerie für die Riesenbühne und überwältigt sein Publikum. Gastspiele in Deutschland und halb Europa sowie Zweitinszenierungen in Budapest und London begründen den internationalen Ruhm dieser bahnbrechenden Arenaaufführung.
1873Erster Weihnachtstag 1873 – große Eröffnung eines großen Zirkus. Mit enormem Aufwand wurde die alte Markthalle umgebaut und ein Zirkus mit gigantischen Ausmaßen ist entstanden. Der Name erinnert noch an den Vorgängerbau: „Markthallen-Zirkus“.
1873
Erster Weihnachtstag 1873 – große Eröffnung eines großen Zirkus. Mit enormem Aufwand wurde die alte Markthalle umgebaut und ein Zirkus mit gigantischen Ausmaßen ist entstanden. Die Angaben zur Anzahl der Plätze schwanken, es sollen zwischen 4600 und 5125 sein. An den Vorgängerbau erinnern jetzt nur noch architektonische Überreste und der Name „Markthallen-Zirkus“.
Albert Salamonsky ist erster Direktor des Hauses an der neuen Adresse „Am Zirkus 1“. Nicht weit entfernt, an der Stelle des heutigen Bahnhofs Friedrichstraße auf der gegenüberliegenden Spreeseite, steht das feste Stammhaus seines Widersachers und früheren Arbeitgebers, Ernst Jakob Renz.
Am 20. April 1879 übernimmt dieser das Gebäude als neues Stammhaus des Circus Renz und lässt den Zuschauerraum 1888 auf angeblich 5600 Plätze erweitern.
Das Gebäude befindet sich immer noch kurz vor der Stadtgrenze. Friedrichshain und Charlottenburg sind Vororte und der „Churfürsten Damm“ ein Weg durch Felder und Wiesen.
Albert Salamonsky überlässt Renz freiwillig das Feld und geht mit seinem Zirkus nach Moskau. Dort wird ihm ein eigenes festes Zirkusgebäude errichtet und am 20. Oktober 1880 eingeweiht. Salamonsky präsentiert fortan vorrangig Pferdedressuren, seine Profession. 1919 verstaatlicht die Sowjetunion das Unternehmen per Dekret und macht es zum ersten Staatszirkus der Welt. Noch heute besteht er in Moskau unter dem Namen Nikulin-Zirkus und hat mittlerweile einen eigens errichteten Neubau bezogen.
1918
Max Reinhardt lässt den alten Circus Schumann verwandeln – in das modernste Theater Europas mit 3.200 Sitzplätzen, einzigartiger Bühnenlandschaft und innovativer Technik. Der Architekt Hans Poelzig fasziniert die Besucher mit seiner expressionistischen Ausstattung. Die vom Berliner Volksmund als „Tropfsteinhöhle“ benannte Stalaktitenkuppel im Zuschauerraum macht international Furore.
Reinhardt kauft den alten Circus Schumann und beginnt noch im Ersten Weltkrieg mit dem Umbau zum Arenatheater. Aber erst der 1919 engagierte Architekt Hans Poelzig bewältigt die technisch schwierige Aufgabe, eine Riesenbühne in das Eisengerüst der alten Markthalle zu integrieren. Ein Theater der Superlative entsteht: eine 30 Meter breite Bühne mit integrierter Drehbühne, beweglichen Treppen und drei in den Zuschauerraum ragenden verschiebbaren Vorbühnen. Dafür muss ein Drittel der 5000 Zirkussitzplätze weichen. Im neuen „Theater der 3000“ hat auch die „Tropfsteinhöhle“ einen praktischen Sinn: Die hängenden Gipszapfen verbessern die Akustik enorm. Zugleich wirkt Poelzigs kühne Theaterarchitektur revolutionär. Außen verkündet das gewaltige Gebäude mit roter Fassade den Aufbruch in eine neue Zeit. Bevor der Besucher innen das strahlende Riesenrund der Stalaktitenkuppel betritt, empfängt ihn eine farbintensive Grottenwelt, die vom indirekten Licht exotischer Palmensäulen erleuchtet wird. Bei Dunkelheit schafft ein eindrucksvoller Sternenhimmel im Bühnenraum die Illusion eines Freilufttheaters. Maßgeblich an der Innengestaltung beteiligt ist die Bildhauerin – und spätere Ehefrau Poelzigs – Marlene Moeschke. Schon im November 1919 steht die neue Megabühne für Reinhardts ambitionierte Theaterpläne bereit.
1918
Bildnachweis:
Karl Rosenbaum, Großes Schauspielhaus, Berlin 1918 |
© Stiftung Stadtmuseum Berlin; Reproduktion: Friedhelm Hoffmann, Berlin |
Inv.-Nr.: VIII 94/49 V; VIII 94/49,01 V; VIII 94/49,02 V; VIII 94/49,03 V; VIII 94/49,04 V
1919
Hans Poelzig gestaltet den alten Zirkus zum Großen Schauspielhaus um. Der völlig neue expressionistische Stil begründet seinen europäischen Ruf. Ab den 1920er Jahren trägt er wesentlich zur Durchsetzung der modernen Architektur in Deutschland bei, bis ihn die Nationalsozialisten 1933 seiner Arbeitsmöglichkeiten berauben. 1936 verstirbt er kurz vor der Emigration in die Türkei.
Hans Poelzig war Architekt, Maler, Bühnenbildner und Hochschullehrer. Sein origineller Entwurf für das Große Schauspielhaus, den er im Café für Max Reinhardt auf einer Serviette skizziert, zündet sofort. Bis heute gilt der Bau als sein expressionistisches Hauptwerk. Im gleichen Stil entwirft er phantastische Kulissen für den Stummfilm. Berühmt wird seine Ausstattung für Paul Wegeners Film „Der Golem, wie er in die Welt kam“ von 1920.
Ab Mitte der 1920er Jahre schafft Poelzig bedeutende Bauten im Stil der Neuen Sachlichkeit wie das Kino Babylon und das Haus des Rundfunks in Berlin sowie die Zentrale der IG Farben in Frankfurt am Main. Zudem ist er als Maler tätig und gestaltet Bühnenbilder für Operninszenierungen. Von 1919 bis 1921 leitet er den Deutschen Werkbund. Als Vizepräsident der Preußischen Akademie der Künste und Leiter der Staatlichen Kunstschulen Berlins steht Hans Poelzig Anfang 1933 auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Doch schon im April des Jahres entfernen ihn die Nationalsozialisten als Vertreter der modernen Architektur aus allen Ämtern.
1920
Während des Generalstreiks am 15. März 1920 gegen den Kapp-Putsch nehmen Arbeiter auch das Stromerzeugungsaggregat am Großen Schauspielhaus außer Betrieb. Für den Erhalt der Weimarer Republik folgen Millionen Beschäftigte dem Aufruf zur Niederlegung der Arbeit. In Berlin sind die zentralen Versorgungsbetriebe lahmgelegt und alle Verkehrsverbindungen und Nachrichtenwege abgeschnitten.
Im März 1920 lassen der ultrarechte Politiker Wolfgang Kapp und der Reichswehrgeneral Walther von Lüttwitz die Freikorpsbrigade Ehrhardt in Berlin einmarschieren, um die Regierung zu stürzen. Reichskanzler Gustav Bauer, die sozialdemokratischen Minister und Reichspräsident Friedrich Ebert fliehen aus der Stadt, während die Gewerkschaften zum Streik aufrufen. Entschlossen beteiligen sich die Berliner am Generalstreik für die Rettung der jungen demokratischen Republik. Der Widerstand der Arbeiter und Angestellten, ja der Zusammenbruch des öffentlichen Lebens führt nach vier Tagen zum Scheitern des Putsches.
1919Max Reinhardt ist ein herausragendes Multitalent: begnadet als Schauspieler, wegweisend als Regisseur und wagemutig als Schöpfer eines ganzen Theaterkonzerns. 1933 verliert er als Jude seine Berliner Theater. 1938 emigriert er in die USA.
1919
Max Reinhardt ist ein herausragendes Multitalent: begnadet als Schauspieler, wegweisend als Regisseur und wagemutig als Schöpfer eines ganzen Theaterkonzerns. 1919 gründet er das Große Schauspielhaus mit seiner einzigartigen Arenabühne. 1933 verliert er als Jude seine Berliner Theater. Nach einer Zwischenstation in seinem Heimatland Österreich emigriert er 1938 in die USA, wo er 1943 stirbt.
Der junge Schauspieler Max Reinhardt wird 1894 vom Direktor des Deutschen Theaters Otto Brahm aus Salzburg nach Berlin engagiert. Die naturalistische Bühnenkunst genügt Reinhardt bald nicht mehr und so erprobt er mit Gleichgesinnten neue Spielformen. 1901 gründen sie das literarische Kabarett Schall und Rauch. Erfolgreich führt Reinhardt nun Regie und mietet das Neue Theater am Schiffbauerdamm. „Was mir vorschwebt, ist ein Theater, das den Menschen wieder Freude gibt“ – dafür vereinigt er alle Künste im Dienste des Dramas und nutzt den gesamten Bühnenraum. Seine aufsehenerregenden Inszenierungen ermöglichen es Reinhardt, 1905 das Deutsche Theater zu erwerben, im selben Jahr die erste Schauspielschule sowie 1906 die intimeren Kammerspiele zu eröffnen. 1919 kann er sich mit dem Großen Schauspielhaus seinen langgehegten Wunsch nach einem Arenatheater für eine Kunst monumentaler Wirkungen erfüllen. 1920 verlagert er seinen Arbeitsschwerpunkt kurzfristig nach Österreich und initiiert maßgeblich die Salzburger Festspiele. Bei zahlreichen Gastspielen in Europa und Amerika feiert das Publikum sein Ensembletheater. 1924 eröffnet Reinhardt am Kurfürstendamm die Komödie. Als letzte Berliner Premiere unter seiner Regie startet am 1. März 1933 „Das große Welttheater“. Am 8. März 1933 verlässt Reinhardt die Stadt für immer und verliert seine Berliner Theater, 1938 auch seinen Besitz in Österreich. Heute gilt er als Wegbereiter des modernen Theaters.
1919Peter Poelzig ist der Enkel Hans Poelzigs und ebenso wie sein Großvater Architekt. Er berichtet über die verschiedenen Fähigkeiten seines Großvaters und über die städtebauliche Einordnung des neuen Friedrichstadt-Palastes.
1919
Peter Poelzig ist der Enkel Hans Poelzigs und ebenso wie sein Großvater Architekt. Er berichtet über die verschiedenen Fähigkeiten seines Großvaters und über die städtebauliche Einordnung des neuen Friedrichstadt-Palastes.
1919
Auch der Keller des Großen Schauspielhauses, die ehemaligen Stallungen, wird 1919 zur Bühne: Am 8. Dezember 1919, zehn Tage nach der Premiere der „Orestie“ des Aischylos auf der Hauptbühne, startet eine Neuauflage des Kabaretts „Schall und Rauch“ unter der Leitung des Schriftstellers Rudolf Kurtz (1884–1960). Sie setzt die Tradition der ersten, bereits 1901 von Max Reinhardt (1873–1943) gegründeten und ebenso benannten Bühne fort. Das neue „Schall und Rauch“ bietet in einer sehr kurzen, aber produktiven Phase vielen Künstler*innen eine Bühne – ihr kritisch-satirischer Blick und Talent zur lockeren Unterhaltung sind bis heute mit den Unruhen der jungen Weimarer Republik verbunden.
Stand Reinhardt im ersten „Schall und Rauch“ noch selbst auf der Bühne, überlässt er sie nun anderen Künstler*innen. Doch bleibt sein Einfluss spürbar, wie bereits die Eröffnung zeigt. Deren Höhepunkt ist das Puppenspiel „Einfach klassisch! Eine Orestie mit glücklichen Ausgang“ (Text: Walter Mehring, Musik: Friedrich Hollaender, Entwürfe Marionetten: George Grosz, Umsetzung Marionetten: John Heartfield und Waldemar Hecker). Mehrings Text versetzt Aischylos’ Tragödie in die neu gegründete Republik mit all ihren politischen Konfliktfeldern und steht damit ganz in Reinhardts Parodietradition.
Von 1919 bis 1921 erscheint unter demselben Namen eine Zeitschrift. Sie belegt die breite Unterstützung der Bühne in der künstlerischen Avantgarde, wie die Arbeiten dadaistischer Künstler*innen, etwa Richard Huelsenbeck und Hanna Höch, zeigen. Die Eröffnung bietet auch ein Novum auf deutschen Kabarettbühnen, denn erstmals wird ein Film gezeigt: „Tag des Reichspräsidenten“, gezeichnet von Walter Trier (1890–1951), begleitet Friedrich Ebert einen Tag lang und greift auch das einen Skandal hervorrufende Bild von Ebert in der Badehose auf.
„Schall und Rauch“ bietet in den folgenden Jahren eine Mischung aus politischer Satire, literarischer Kunst und blendender Unterhaltung. Künstler*innen wie Klabund, Walter Mehring, Kurt Tucholsky, Friedrich Hollaender, Gussy Holl und Blandine Ebinger prägen dieses Profil, bis die Bühne nach einigen Direktionswechseln ab Mitte der zwanziger Jahre zu einem durchschnittlichen Amüsierbetrieb wird.
1919
Bildnachweise:
Blandine Ebinger
© Stadtmuseum Berlin
Inv.-Nr.: TA 00/2370 VF
Auftrittskleid von Blandine Ebinger
© Stadtmuseum Berlin
Inv.-Nr.: KGT 85 52
1921
Theaterdirektor Max Reinhardt stellt am 19. April 1921 seine dritte Inszenierung von Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ im Großen Schauspielhaus vor. Begeistert feiern Zuschauer*innen und Kritiker*innen die Akteur*innen und den Regisseur. Mit dem sensationellen Erfolg der „Sommernachtstraum“-Inszenierung 1905 im benachbarten Neuen Theater hatte Reinhardts Aufstieg zum bekanntesten Regisseur in Deutschland begonnen.
Die märchenhaften Dekorationen für die Aufführung hat Hans Meid entworfen. Der Graphiker komponiert mit seiner ausgeprägten Phantasie Bilder voll packender Lichtwirkung nur aus den kargen Mitteln von Schwarz und Weiß und setzt Licht und Schatten dramatisch gegeneinander. Dabei gleicht nicht nur die Shakespeare’sche Komödie ihrem Wesen nach in Rhythmus und Aufbau musikalischen Strukturen, sondern auch die Arbeitsweise von Max Reinhardt am Regiebuch und die Herangehensweise von Hans Meid.
Das Großraumtheater verlangt breit angelegte, flächige Darstellungen und Bewegung. Max Reinhardt lässt die Arena durch einen eingeschobenen Zuschauerraum, der direkt vor der Bühne liegt, eindämmen. Auf der mit einem grünen Rasen- und Moosteppich bekleideten Fläche entfalten sich das Spiel der Liebespaare und zauberhafte Elfentänze. Diese Tänze des russischen Balletts unter Leitung von Eugenie Eduardowa machen den besonderen Reiz der unvergesslich heiteren und schönen Aufführung aus.
1921
Auszug aus dem Programmheft „Dantons Tod“ 1922
© Archiv Friedrichstadt-Palast
1921
Ende 1921 feiert Jacques Offenbachs Operette „Orpheus in der Unterwelt“ in Berlin Premiere. Regisseur Max Reinhardt stellt seine Inszenierung an Silvester dem Berliner Publikum vor. Max Pallenberg wird in der Rolle des Jupiter gefeiert und ganz Berlin pfeift Orpheus-Melodien. Reinhardt verabschiedet sich damit aus Berlin und zieht sich für zwei Jahre nach Wien und Salzburg zurück.
Nachdem Reinhardt Offenbach bereits 1906 im Neuen Theater in der Ausstattung von Ernst Stern auf die Bühne gebracht hatte, feiert er nun mit der Ausstattung von Max Rée einen triumphalen Erfolg im Großen Schauspielhaus. Im Ensemble brillieren neben Sänger*innen beliebte Schauspieler*innen in Gesangsrollen. Vor allem Max Pallenberg als Jupiter begeistert mit seiner Darstellung. Ihm gelingt es, mit gestalterischen und mimischen Mitteln den klassischen Vorlagen neue Facetten abzugewinnen. Reinhardt eröffnet ihm die Räume, seine Spielfreude und sein Improvisationstalent zu zeigen.
1924
Erik Charell macht das Große Schauspielhaus ab 1924 mit einer Serie gefeierter Produktionen zum führenden Revuetheater Berlins. 1931 wechselt der „Revuekönig“ zum Film. Im Jahr danach verlässt er Deutschland und lebt nach Gastspielen in London und Paris von 1936 an in den USA. 1950 feiert er in München sein Comeback. 1969 erhält er für sein Lebenswerk das Filmband in Gold.
Der Tänzer, Choreograph, Schauspieler und Regisseur Erik Charell macht 1913 als junges Tanztalent am Deutschen Theater in Berlin Furore. Er gründet eine eigene Tanztruppe und geht im Ersten Weltkrieg im neutralen Ausland auf Tournee. 1923 lernt er als Assistent Max Reinhardts in den USA die glamourösen Broadway-Shows kennen. 1924 übernimmt er das Große Schauspielhaus, das mit klassischen Stücken nicht mehr ausreichend Publikumszuspruch findet. Charell inszeniert niveauvolle Revuen in neuem Stil: überwältigende Showeinlagen nach amerikanischem Vorbild, kombiniert mit frechem, hintergründigem Witz. Er verpflichtet die berühmten Tiller Girls, Entertainer*innen wie Claire Waldoff, spätere Weltstars wie Marlene Dietrich oder die noch unbekannten Comedian Harmonists. Ab 1927 zeigt Charell eine Serie von Revueoperetten, die 1930 der Sensationserfolg „Im weißen Rößl“ krönt. 1931 dreht er den erfolgreichen Musikfilm „Der Kongreß tanzt“. Charell ist jüdischer Herkunft und homosexuell. Früh erkennt er die Gefahr des Nationalsozialismus und emigriert 1932. In London, Paris und am Broadway – überall bleibt das „Rößl“ sein größter Wurf. Nach Kriegsende inszeniert er in München die Operette „Feuerwerk“ sowie eine Wiederaufnahme des „Rößls“ und bringt beide Stoffe ins Kino. Danach zieht er sich als Kunstsammler ins Privatleben zurück.
1924
„An Alle!“ titelt die erste Revue im Großen Schauspielhaus. Sie vereint in explosivem Tempo Schauspielkunst, Varieté, Musik, Tanz und Modeschau. Hochkarätig besetzt und hervorragend choreographiert überstrahlt sie die Konkurrenz. Hauptsensationen sind die international gefeierten Tiller Girls, die Diseuse Claire Waldoff und ein Jazzorchester mit brandaktuellem Sound.
Wirklich „An Alle!“ richtet sich die Eröffnungspremiere der größten Revuebühne Berlins. Nach einem krisenhaften Jahrzehnt mit Krieg, Revolution und Inflation sehnt sich das Publikum nach unbeschwertem Vergnügen, das dennoch den Puls der Zeit erfasst. Genau dies bietet die Revue. Im bunten Reigen ihrer opulenten Szenen, so verkündet das erste Programmheft, will sie „etwas vom innersten Atem unserer heißglühenden Zeit“ einfangen und „Spiegel und abgekürzte Chronik des Zeitalters“ sein.
Mit dem „Ehrgeiz eines hohen Niveaus“ nimmt Erik Charell, der neue künstlerische Leiter des Großen Schauspielhauses, die Konkurrenz auf. Um die Ecke, an der Friedrichstraße, liegt die Amüsiermeile Berlins. Dort zeigen der Admiralspalast und die Komische Oper (nicht identisch mit dem heutigen Musiktheater!) erfolgreich ihre Ausstattungsrevuen. Aber das Große Schauspielhaus überbietet alles, was Berlin bisher gesehen hat: Die britischen Tiller Girls – Ikonen der Girlreihe schlechthin – begründen eine Tanztradition, die noch hundert Jahre später ein Markenzeichen des Hauses sein wird. Moskauer Akrobat*innen, Pariser Tanzstars und eine deutsch-amerikanische Jazzband sorgen für internationales Flair. Claire Waldoff singt im Soloauftritt „Warum soll er nicht mit ihr …?“ Für sie war es „im schönsten Sinne eine weltstädtische Show“.
1924
1924 präsentiert der Tänzer Erik Charell als neuer künstlerischer Leiter im Großen Schauspielhaus seine erste Revue „An Alle..!“ Der Bühnenbildner Ernst Stern sorgt für die opulente Ausstattung. Die sich synchron bewegende Reihe der Stern-Girls und zahlreiche Stars bieten einen berauschenden Abend. Die Sängerin Claire Waldoff schwärmt von der „im schönsten Sinne weltstädtischen Show“ in Berlin.
Erik Charell verpflichtet ein Orchester, das konzertanten Jazz und eingängige Schlager bietet. Dem Tänzerischen kommt in den Revuen eine besondere Bedeutung zu. Die englischen Tiller Girls, die ebenso in der Revue „An Alle..!“ tanzen, avancieren zum Markenzeichen. Sechzehn in Größe, Wuchs und Haarfarbe ähnliche Tänzerinnen führen mit äußerster Präzision ihre gleichförmigen Bewegungen aus.
Die Begeisterung für die knabenhaften Mädchen spiegelt auch das neue Frauenbild der Republik wider. Ein besonderer Reiz der Girlreihe ergibt sich aus der Auflösung der Einzelnen im Gesamtgefüge. So sollen sich auch alle Elemente der Revue zu einem suggestiven Gesamtbild verbinden. Mehr als eine Million Zuschauer sehen die Charell-Revue pro Jahr.
1919Reinhardt eröffnet mit der antiken „Orestie“ des Aischylos und schickt Spitzendarstellende und bis zu 1000 Statist:innen in die Arena. Mit sensationellen Massenszenen besteht das Theater seine erste Bewährungsprobe und wird zum Hauptstar des Abends.
1919
Das Große Schauspielhaus eröffnet mit der antiken „Orestie“ des Aischylos. Reinhardt schickt Spitzendarstellendein die Arena und bis zu 1000 Statist:innen für die Chöre. Mit sensationellen Massenszenen im Riesenraum besteht das Theater seine erste Bewährungsprobe. Hauptstar des Abends ist aber das neue Haus selbst. Seine Schöpfer Max Reinhardt und Hans Poelzig werden frenetisch gefeiert.
Mit der Wahl des Premierenstücks „Orestie“ knüpft der neue Hausherr gezielt an sein Vorbild des antiken Amphitheaters an. Nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs hält die griechische Tragödie zudem eine Botschaft für die Gegenwart bereit: Sie erzählt vom Ende einer blutigen Rachefehde durch die Herrschaft des Rechts. Die moderne Bearbeitung stammt von Karl Vollmoeller, der Max Reinhardt maßgeblich für das Arenatheater begeistert hat. In den Hauptrollen sind Alexander Moissi als Orest, Werner Krauß als Agamemnon und Agnes Straub als Klytaimnestra zu sehen. Ernst Stern kreiert die archaisch-monumentale Ausstattung. Zahlreiche Pressestimmen loben die theatralische Wucht der Inszenierung und die Nähe des Publikums zum Bühnengeschehen. Große Anerkennung findet auch Reinhardts innovatives Konzept eines Volkstheaters, das sich jeder leisten kann. Schnell werden zugleich die Stärken und Schwächen der neuen Großbühne sichtbar: Sie bietet stimmgewaltigen Künstler:innen mit starker Bühnenpräsenz einen ausgezeichneten Rahmen. Intimes, differenziertes Spiel geht dagegen in den Chormassen unter oder verliert sich auf der großen Fläche.
1925
Seine zweite Revue bringt dem Regisseur Erik Charell (1894–1874) einen weiteren glänzenden Erfolg. „Für Dich!“ zeigt in zwei Akten und zwanzig Bildern ein Potpourri an Themen und Unterhaltungsformen. Ernst Stern (1976–1954) verantwortet die Gesamtausstattung und entwirft pompöse Bühnenbilder. Ralph Benatzky (1884–1957) schreibt die Musik für diese nach einem Schlager benannte Revue.
„Die neue Bühne besteht noch nicht, aber mit Sicherheit erkennen wir das eine: sie wird aus ,lachendem Geiste‘ geboren sein“, hält der Künstler Gert Caden euphorisch im Magazin zur Revue fest. Er zeigt, dass Charells Revue ein gesamteuropäisches Schwellenphänomen ist, das den Naturalismus längst abgelöst hat. Aber auch die Revue weist im Jahr 1925 erste Abnutzungserscheinungen auf, wie ein Artikel des Journalisten und Schriftstellers Stefan Großmann zeigt. Statt fantasieloser „Fleischausstellungen“ wünscht er sich eine „Inszenierung der Nacktheit“, in der sich Kunst und Erotik miteinander verbinden – eine Aufgabe, an der Erik Charell wachsen wird.
1926
Die dritte und letzte Charell-Revue wirkt noch im Rückblick sensationell. Claire Waldoff bricht mit dem frechen Couplet „Raus mit den Männern aus dem Reichstag!“ eine Lanze für die Emanzipation, ein späterer Weltstar, Marlene Dietrich, debütiert auf der ganz großen Bühne im Gesangsfach und Louis Douglas choreographiert als erster Afroamerikaner die Tänze einer Berliner Revue.
Die Revue „Von Mund zu Mund“ verspricht ein doppelsinniges Spiel um den Kuss und das Gerücht. Sie spinnt sich um eine kleine Rahmenhandlung: Fünf Kinder träumen ihren Zukunftstraum. Beim Wiedersehen als Erwachsene erzählen sie, was daraus geworden ist. Curt Bois und Claire Waldoff gehören zu den Hauptdarstellern. Marlene Dietrich ist bei der Premiere noch nicht dabei, sie wird erst als Nachbesetzung verpflichtet und übt bei Claire Waldoff den Bühnengesang. Die Schau setzt auf prächtige Szenen und beliebte Darsteller*innen, aber verzichtet auf viele weltbekannte Namen. Inzwischen tanzt die eigene Girlreihe so perfekt, dass niemand ihre britischen Vorbilder vermisst. Das ist auch dem international bekannten Louis Douglas zu verdanken, der nicht nur als Charleston-Virtuose brilliert, sondern auch die modernen Tänze der Charell-Revue choreographiert. Die Reichweite der Schau ist enorm: In fünf Wochen mit fünfzig Aufführungen sehen sie rund 160.000 Zuschauer, am Ende der Saison wird es ein Vielfaches sein. Eine Rundfunkübertragung im Oktober 1926 erreicht schon Millionen Hörer. Dennoch wird es die letzte Revue im Großen Schauspielhaus bleiben, denn der aufstrebende Tonfilm konkurriert um die besten Talente und bietet Karrierechancen ohne den harten Auftrittsmarathon.
1926
Der „American king of dance“ Louis Douglas ist einer der bedeutendsten schwarzen Bühnenkünstler im Europa der 1920er Jahre. Er hat großen Anteil am Erfolg der „Revue Nègre“, durch die Josephine Baker zum Star aufsteigt und der alte Kontinent mit dem „Charleston-Fieber“ infiziert wird. Als erster Afroamerikaner tanzt und choreographiert er 1926 für eine „klassische“ Berliner Revue.
Der Afroamerikaner Louis Douglas ist Tänzer, Choreograph, Schauspieler, Sänger, Musiker und Unternehmer – kurz: ein Ausnahmetalent. Der Sohn eines Varieté-Jongleurs macht bereits als Kind erste Bühnenerfahrungen. 1903 kommt er mit einer Truppe afroamerikanischer Unterhaltungskünstler*innen nach Großbritannien. Ab 1910 steht er als Tänzer und Schauspieler mit eigenem Programm auf britischen Bühnen und gibt europaweit Gastspiele. Nach einem Engagement in Paris wird er 1923 für eine Südamerikatournee mit dem französischen Megastar Mistinguett verpflichtet. 1925/1926 feiert er mit der „Revue Nègre“ in Paris und Berlin Triumphe. In Berlin gründet er die schwarze Revuetruppe „Black People“, die im Metropol-Theater gastiert, bevor sie zur Europatournee aufbricht. 1926 engagiert ihn Charell als Tänzer und Choreographen für die Revue „Von Mund zu Mund“. Im Jahr danach choreographiert er die Revueoperette „Wie einst im Mai“. Anfang der 1930er Jahre spielt Douglas in mehreren Tonfilmen. Im Antikriegsfilm „Niemandsland“ verkörpert er 1931 die Hauptrolle. 1933 verbieten die Nationalsozialisten diesen Film wegen seiner pazifistischen Ausrichtung und des Widerspruchs gegen ihr rassistisches Menschenbild. Douglas muss Deutschland verlassen. Er kehrt nach einer letzten Europatournee 1937 in die USA zurück.
1927
Ab 1927 zeigt das Große Schauspielhaus Operetten im Stil opulenter Ausstattungsrevuen. Handlung, Text, Musik und Tanz, alles wird auf die Bedürfnisse des neuen Formats zugeschnitten, das bald einen Namen hat: die Revueoperette. Für Leo Falls Werk „Madame Pompadour“ gewinnt Regisseur Erik Charell die unbestrittene Operettenkönigin Berlins, Fritzi Massary.
1927 gehört die Ära der Revuen im Großen Schauspielhaus der Vergangenheit an. Ist vielleicht der Nachkriegshunger des Publikums nach Sensationen aus aller Welt gestillt? Oder sind durch die Konkurrenz des Kinos allabendliche, aber kurze Revueauftritte für Schauspieler*innen nicht mehr so attraktiv? Oder liegt es doch am Metropol-Theater, das Unter den Linden neuerdings sehr erfolgreich Operetten zeigt? Jedenfalls kreiert Erik Charell als Antwort die Revueoperette und bringt insgesamt neun Produktionen auf die Bühne. Für „Madame Pompadour“ übersetzt er das Rokoko mit prächtigen Kostümen und tanzenden Girls ins Lebensgefühl der 1920er Jahre. Das eher schwache Skript wird aufgewogen durch schwungvolle Musik und einen brillanten Star, der die satirische Seite des Stücks mit liebenswürdigem Charme ausspielt: „Fritzi Massary gibt ihren Rollen stets eine Haltung, die über das Niveau von Operettenhandlungen weit hinausreicht“, bemerkt dazu das Berliner Tageblatt. An ihrer Seite spielen, neben dem Operettensänger Walter Jankuhn, vor allem Komiker*innen, darunter Wilhelm Bendow und Lotte Werkmeister. Den modernen Jazztanz zeigen die Afroamerikaner Ruth Walker und Edwin Harris, ein Kinderstar, der als „Snowball“ zuvor im Café de Paris aufgetreten ist.
1927
Fast drei Jahrzehnte lang ist die Sängerin und Schauspielerin Fritzi Massary ein Star der Berliner Bühnen. Ihre Karriere beginnt 1904 am Metropol-Theater. In den Jahresrevuen von Victor Hollaender und Paul Lincke wird sie mit ihrer pointierten Vortragskunst schnell populär.
Mit ihrer eher kleinen Soubrettenstimme interpretiert Fritzi Massary spielerisch und ironisch ihre oft zweideutigen Texte. 1911 wechselt sie zur Operette. Komponisten wie Leo Fall und Oscar Straus schreiben Operetten nach Maß für die Künstlerin. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere glänzt sie 1922 am Berliner Theater in der Rolle der „Madame Pompadour“ von Leo Fall. 1927 spielt sie diese Rolle auch am Großen Schauspielhaus. 1928 brilliert sie an der Seite ihres Ehemannes Max Pallenberg als „Lustige Witwe“ auf der Bühne, Eric Charell inszeniert die Operette am Großen Schauspielhaus als Revue. Ihre Eleganz und ihr mondäner Geschmack machen „die Massary“ zu einer Stilikone ihrer Zeit.
Mit der Operette „Eine Frau, die weiß, was sie will“ von Oscar Straus verabschiedet sich die Künstlerin 1932 von Berlin. Nach Stationen in Wien und London geht sie 1939 nach Los Angeles, das bis zu ihrem Tod 1969 ihr ständiger Wohnsitz bleibt.
1925Die historisch-politische Mammutshow kommt aus Anlass der Eröffnung des X. Parteitages der KPD auf die Bühne. Theateravantgardist Erwin Piscator setzt bei dieser Aufführung neben dokumentarischen Spielszenen auch den Film als Element der Bühnenaktion ein.
1925
Eine historisch-politische Mammutshow über Krieg und Revolution in den Jahren 1914 bis 1919 kommt 1925 auf die Bühne des Großen Schauspielhauses. Anlass ist die Eröffnung des X. Parteitages der KPD. Regie führt der Theateravantgardist Erwin Piscator im revolutionären Agitprop-Stil. Erstmals setzt er bei dieser Aufführung neben dokumentarischen Spielszenen auch den Film als Element der Bühnenaktion ein.
In Anlehnung an Karl Liebknechts Schrift „Trotz alledem!“ zum Januaraufstand 1919 zeichnet die Revue zentrale Ereignisse vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis zur Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht kritisch nach: Eine Szene, die die Zustimmung der Sozialdemokratie zu den Kriegskrediten zeigt, kommentiert Regisseur Erwin Piscator mit Weltkriegsgräueln aus Filmsequenzen von der Front. Edmund Meisel komponiert begleitende Jazztöne, John Heartfield gestaltet das Bühnenbild. Dem SPD-nahen Arbeiter-Kultur-Kartell, für das die Masseninszenierung ursprünglich geplant war, erscheint dies zu revolutionär. Piscator realisiert für die KPD eine reduzierte Version mit 200 Mitwirkenden. Trotz des überwältigenden Erfolgs unterstützt die Partei nur zwei Aufführungen des kostspieligen Projekts.
1928
Mit der Uraufführung von „Casanova“ am 3. September 1928 im Großen Schauspielhaus beginnt eine Reihe historischer Revueoperetten, welche diese Aufführungsform auf den Höhepunkt ihrer Möglichkeiten treibt und zugleich ihr Ende einleitet. Auf die zum Mythos gewordene Geschichte des Italieners Giacomo Casanova und seiner Liebschaften folgen 1929 die „Drei Musketiere“ und 1930 „Zum Weissen Rössl“.
Die Revueoperette „Casanova“ schreibt Ralph Benatzky nach einem Libretto von Rudolf Schanzer und Ernst Welisch. Dafür arrangiert er Kompositionen von Johann Strauss. Die überspitzten Interpretationen historischer Kostüme und die Bühnenbilder, die Casanova von Venedig ins katalonische Tarragona, nach Wien, nach Böhmen und auf das Schloss Sanssouci versetzen, werden von Ernst Stern gefertigt. Michael Bohnen mimt den Casanova als einen Mann mit Widersprüchen: Härte kommt neben Zärtlichkeit zum Ausdruck, die Gesten sind mal sportlich-kräftig und ein anderes Mal zärtlich und weich. In diesem Sinne, so kündigt das Programmheft an, machen die Dichter von 1928 aus dem Manntier Casanova einen Menschen.
Eine Besonderheit, die den Erfolg dieser Produktion begründet, ist die Musik von Johann Strauss. Das „Wiener Bild“ ehrt den Walzerkönig und spielt ein Walzerthema als Tango. Der klassische Wiener Tanz und die Musik erhalten eine neue Rhythmik und Dynamik. Dazu trägt die Orchestrierung ebenso bei. Das gerade erst in den USA erfundene Vibrafon, ein Schlaginstrument, dessen Metallplatten kühle Töne erzeugen, bringt einen neuen und zeitgemäßen Klang auf die Bühne.
1929
Mit viel Ausstattung und nicht weniger als 40 Musiknummern bringt Erik Charell am 31.8.1929 Alexandre Dumas’ „Die drei Musketiere“ (1844) auf die Bühne des Großen Schauspielhauses. Ralph Benatzky schreibt erneut die Musik und interpretiert die wohl bekannteste Mantel-und-Degen-Geschichte als ein „Spiel aus romantischer Zeit mit Musik von gestern und heute“.
Die Produktion bietet dem verwöhnten Berliner Revuepublikum zahlreiche musikalische und tänzerische Attraktionen: Tangotänze, schmetternde Märsche, ein Holzschuhtanz und auch moderne Tänze wie der Foxtrott werden aufgeführt. Die Rolle der Leona, die als Junker verkleidet den Musketier d’Artagnan erfolgreich zum Duell provoziert, verkörpert Trude Hesterberg. Die Chansonsängerin, Schauspielerin und Kabarettistin ist zu diesem Zeitpunkt längst ein Star auf den Berliner Kabarett- und Theaterbühnen. Sie hatte ihre ersten Auftritte in Reinhardts Kabarett Schall und Rauch absolviert und 1921 die von ihr geleitete Wilde Bühne gegründet. Damit gilt sie als eine der ersten Frauen, die aufgrund ihres Organisationstalentes auch hinter der Bühne erfolgreich sind. In „Drei Musketiere“ spielen neben ihr die Schauspieler und Kabarettisten Max Hansen, Siegfried Arno und Paul Morgan. Die modernen Stücke tanzt La Jana (Henriette Hiebel) und als Primaballerina steht Marianne Winkelstern auf der Bühne.
1930
Im Jahr 1930 wird der Bühnenraum des Großen Schauspielhauses in eine Alpenlandschaft verwandelt. Es entsteht ein beinahe lebensgroßes Dorf mit Kirche und Rathaus, Kuhstall, See und einer Weiterführung der Landschaft im Proszenium. Charells Welterfolg „Im weissen Rössl“ feiert am 8. November 1930 Premiere in Berlin.
Das Stück wird, trotz der verhalten einsetzenden Kritik, ein Kassen- und Exportschlager. In 18 Monaten laufen 416 ausverkaufte Vorstellungen mit Millionen Besucher*innen im Großen Schauspielhaus. Anschließend reist die Revue nach Wien, London, Paris und New York.
Erik Charell verwandelt das Lustspiel von Oskar Blumenthal und Gustav Kadelburg in einen raffinierten und lebensbejahenden Kommentar zu einer Zeit politischer Umbrüche. Ernst Stern entwirft die üppige Ausstattung. Die Kosten von einer halben Million Mark und die Beteiligung von 700 Mitwirkenden an jeder Aufführung machen das „Rössl“ zu einer finanziellen und technischen Meisterleistung. Als die Revueoperette ins Ausland reist, passt Stern die Ausstattung an den Geschmack der bereisten Länder an. Er setzt auf eine kunstvoll zugespitzte Sentimentalität und engagiert auch einheimische Künstler*innen wie die „Original Tiroler Watschentänzer und Schuhplättler“.
Ralph Benatzky, der bereits in Wien mit Charell zusammenarbeitet, komponiert die Musik und schreibt das Libretto. „Im weissen Rössl“ ist die letzte von drei historischen Revueoperetten, die Charell und Benatzky gemeinsam produzieren. Ähnlich wie die Ausstattung von Ernst Stern setzt auch die Musik auf eine Mischung aus folkloristischen und modernen Rhythmen.
Bildnachweis:
Liederbuch der Inszenierung „Im weissen Rössl“, 1930
Charivari Musikverlag GmbH Berlin, 1930
© Archiv Friedrichstadt-Palast
1924
Die Ausstattung der großräumigen Bühne des Großen Schauspielhauses ist eine Herausforderung. Ernst Stern nimmt sich dieser Aufgabe leidenschaftlich an und staffiert die wichtigsten Revuen mit verspielten und fantasievollen Bühnenbildern und Kostümen aus.
Der Grafiker, Bühnen- und Kostümbildner Ernst Stern, geboren 1876 in Bukarest, geht 1905 nach Berlin und zeichnet zunächst für das Satireblatt „Lustige Blätter“. Aus seiner Bekanntschaft mit Max Reinhardt entsteht eine fast anderthalb Jahrzehnte dauernde Arbeitsbeziehung: 1906 engagiert Reinhardt ihn als Ausstattungsleiter und künstlerischen Berater am Deutschen Theater, 1919 wechseln beide an das Große Schauspielhaus. Hier entwirft Stern die Bühnenbilder und Kostüme für die „Orestie“ und für „Hamlet“. Seit Reinhardts Weggang 1921 arbeitet Stern zunächst freischaffend am Theater, aber auch für den Film: So kooperiert er mit den Reinhardt-Schülern F. W. Murnau („Satanas“, 1920) und Ernst Lubitsch („Die Bergkatze“, 1919–22). 1920 bis 1923 ist er Ausstattungschef bei weiteren Filmproduktionen von Ernst Lubitsch. 1924 holt ihn Erik Charell zurück an das Große Schauspielhaus und gewinnt ihn als Ausstattungsleiter der großen Revuen „An Alle..!“, „Für Dich!“, „Von Mund zu Mund“ und „Im weissen Rössl“.
Mit der Revueoperette „Im weissen Rössl“ reist Stern ab 1931 um die Welt. Stetig arbeitet er an der passenden Ausstattung für den unterschiedlichen Publikumsgeschmack in Paris, London und New York. Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kommen, hält er sich wegen des „Rössls“ in Paris auf. Diese Chance, der Verfolgung zu entgehen, ergreift er und bleibt zunächst in Frankreich. Nach einem Umweg über Hollywood siedelt er nach London über, das seine neue Heimat wird. Dort konzentriert er sich auf seine Tätigkeit als Bühnenbildner.
1931
Nach dem Weggang des Regisseurs Erik Charell setzt Max Reinhardt im Herbst 1931 alles auf eine Karte und inszeniert „Hoffmanns Erzählungen“ im Großen Schauspielhaus. Damit versucht er an seinen Erfolg mit Offenbachs Operette „Orpheus in der Unterwelt“ von 1921 anzuknüpfen. Mit gigantischem Aufwand glückt ihm die Sensation des Theaterwinters 1931 in Berlin.
Es ist ein Herzenswunsch Reinhardts, die Geschichte des Romantikers E. T. A. Hoffmann mit der Musik Offenbachs auf die Bühne zu bringen. Ein glanzvolles Ensemble von Sänger*innen, Tänzer*innen sowie Schauspieler*innen führt die phantastische Welt in glanzvollen Kulissen dem verzauberten Publikum vor Augen. Ob biedermeierliches Berlin im Opernhaus, der Weinkeller bei Lutter und Wegner oder der Canale Grande in Venedig und die Palazzi: Sie alle erstehen auf der Drehbühne nach Entwürfen von Oskar Strnad. Die opulenten Kostüme entwirft Professor Paul Scheurich. Den Höhepunkt bildet der Antonia-Akt, in dem die Inszenierung ihre künstlerische Vollkommenheit erreicht und für endlosen Jubel sorgt.
1932
Die Operette „Ball im Savoy“ ist das letzte Stück im Großen Schauspielhaus und wird mit Gitta Alpár in der Hauptrolle ein Kassenschlager. Inzwischen hat der Rotter-Konzern das Haus gepachtet, geht allerdings Mitte Januar 1933 in Konkurs. Trotz einer tödlichen Hetzkampagne gegen dessen jüdische Eigentümer kann noch bis zum Beginn des NS-Judenboykotts Anfang April weitergespielt werden.
1932 verpachtet Reinhardt das Große Schauspielhaus für eine Saison an die Brüder Alfred und Fritz Rotter, deren Theaterkonzern in Berlin bereits sechs Bühnen betreibt. Mit „Ball im Savoy“ landen sie mitten in der Weltwirtschaftskrise einen Sensationserfolg. Paul Abraham liefert die eingängige Musik zu dieser heiteren, in der galanten Welt Nizzas spielenden Komödie. Wegen Fehlspekulationen steht das undurchsichtige Firmenkonglomerat der Rotters Mitte Januar 1933 allerdings wirtschaftlich am Abgrund. Beide Brüder setzen sich nach Liechtenstein ab, von wo aus sie vergeblich um eine Sanierung kämpfen. Noch vor der Machtübernahme des NS-Regimes beginnt eine publizistische Hetzkampagne gegen die jüdischen Eigentümer. Bei einem von den Nationalsozialisten eingefädelten Entführungsversuch kommen Alfred Rotter und seine Frau zu Tode, während Fritz Rotter schwer verletzt fliehen kann und 1939 verarmt in Frankreich stirbt. Die Erfolgsproduktion „Ball im Savoy“ kann – schon im Interesse der Gläubiger*innen – noch bis zum 2. April 1933 weiterspielen. Zwei Tage nach Beginn des von den Nationalsozialisten am 1. April ausgerufenen Boykotts gegen jüdische Unternehmen wird das Theater geschlossen. Auch der Komponist Paul Abraham und die ungarischen Hauptdarstellerinnen Gitta Alpár und Rosy Barsony werden nun wegen ihrer jüdischen Herkunft ausgegrenzt.
1928Nach dem Vorbild der amerikanischen „Revellers“ ruft der Sänger Harry Frommermann die Gesangsvereinigung 1927 in Berlin-Friedenau ins Leben. Der Aufstieg des Ensembles beginnt am Großen Schauspielhaus in Berlin.
1928
Nach dem Vorbild der amerikanischen „Revellers“ ruft der Sänger Harry Frommermann die Gesangsvereinigung 1927 in Berlin-Friedenau ins Leben. Der Aufstieg des Ensembles beginnt am Großen Schauspielhaus in Berlin.
Erik Charell engagiert das Sextett der Comedian Harmonists 1928 für seine Revue „Casanova“. Mit ihren außergewöhnlichen Stimmen haben die Sänger:innen einen originellen A-cappella-Stil entwickelt, der enorme Präzision mit großer Leichtigkeit verbindet. Perfekte Intonation und harmonische Stimmführung, ergänzt mit Witz und Charme, bezaubern das Berliner Publikum. Der durchschlagende Erfolg setzt sich auf den Bühnen vieler deutscher Städte fort. Ab 1930 kann sich das Ensemble ausschließlich der Konzerttätigkeit widmen. Gastspielreisen führen die Comedian Harmonists durch Europa und Amerika. Ihr breit gefächertes Repertoire aus Volksliedern, bekannten Schlagern, Tonfilmmelodien und Chansons werden eigens für die Formation arrangiert. Die Comedian Harmonists gehören zu den beliebten Schallplatteninterpreten der 1930er Jahre und sind auch auf der Leinwand zu sehen.
Während des „Dritten Reiches“ erhalten die drei Ensemblemitglieder jüdischer Herkunft 1935 schließlich Berufsverbot. Erich A. Collin (zweiter Tenor), Roman Cykowski (Bariton) und Harry Frommermann (Buffo) müssen Deutschland verlassen und arbeiten in Wien weiter als „Comedy Harmonists“. Der Pianist Erwin Bootz, der erste Tenor Ari Leschnikow und der Bass Robert Biberti präsentieren sich mit weiteren Mitgliedern ihrem Publikum bis 1939 als „Meistersextett, früher C. H.“ 1941 lösen sich beide Ensembles auf.
Alle Mitglieder der Comedian Harmonists überleben die Kriegsjahre, treten aber musikalisch nicht mehr in Erscheinung.
1933
Ab 1933 schränkt das NS-Regime die Arbeitsmöglichkeiten für jüdische, afroamerikanische und politisch unerwünschte Künstler*innen durch eine Kaskade von Gesetzen und Verordnungen immer weiter ein. 1935 trifft jüdische Künstler*innen ein generelles Berufsverbot. Notgedrungen gehen viele Betroffene ins Exil. Wer als Jude bleibt, ist der Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten ausgesetzt.
Schon vor ihrer Machtübernahme gehen die Nationalsozialisten gewalttätig gegen Kulturveranstaltungen vor, die nicht in ihr Weltbild passen. Ab Januar 1933 können sie die Verfolgung staatlich anordnen. Im März werden jüdische und politisch als „unzuverlässig“ eingestufte Angehörige der staatlichen Bühnen entlassen. Afroamerikanische Künstler*innen werden zusammen mit dem als „entartet“ verfemten Jazz aus der Öffentlichkeit verbannt. Ab Herbst kann das NS-Regime durch den Ausschluss aus der Reichskulturkammer willkürlich Arbeitsverbote aussprechen. Mit den rassistischen „Nürnberger Gesetzen“ trifft jüdische Theaterschaffende 1935 ein generelles Berufsverbot. Viele Künstler*innen des Großen Schauspielhauses sind von der Ausgrenzung betroffen und verlassen Deutschland, darunter Paul Abraham, Gitta Alpár, Siegfried Arno, Ralph Benatzky, Leo Blech, Rudolf Bernauer, Curt Bois, Erik Charell, Louis Douglas, Max Hansen, Trude Lieske, Fritzi Massary, Max Pallenberg, Hans Poelzig, Max Reinhardt, Fritz Rotter, Ernst Stern sowie von den Comedian Harmonists Erich A. Collin, Harry Frommermann und Roman Cycowski. Camilla Spira entkommt aus der Lagerhaft. Paul Morgan, Alfred Rotter, Rudolph Schanzer und Otto Wallburg überleben die NS-Verfolgung nicht.
1933Mit einer Kombination aus gesetzlichen Vorgaben, der politisch motivierten Anwendung des Körperschaftsrechts, Raub und Terror schaffen es die Nationalsozialisten, sich bis zum Frühjahr 1934 Max Reinhardts Theater anzueignen.
1933
Mit einer perfiden Kombination aus gesetzlichen Vorgaben, der politisch motivierten Anwendung des Körperschaftsrechts, Raub und Terror schaffen es die Nationalsozialisten, Max Reinhardt bis zum Frühjahr 1934 entschädigungslos aus dem Konzern zu drängen und sich seine Theater anzueignen. Neuer Besitzer des Großen Schauspielhauses ist von nun an die „Deutsche Arbeitsfront“.
Die erzwungene Übergabe des Reinhardt-Konzerns an die Nationalsozialisten gilt als besonders prominenter Fall der „Arisierung“. Eigentümer des Großen Schauspielhauses ist ursprünglich die Betreibergesellschaft „Deutsches National-Theater AG“, ein Immobilienunternehmen, an dem Reinhardt lediglich Anteile hält. In der Weltwirtschaftskrise muss sie sich bei der gewerkschaftseigenen „Arbeiterbank“ hoch verschulden, um den Betrieb der Reinhardt-Bühnen aufrechtzuerhalten. Diese Schulden nutzt das NS-Regime nach der Machtübernahme, um in den Besitz der Theater zu gelangen. Am 2. Mai 1933 zerschlägt es die Gewerkschaften, raubt deren Vermögen und verleibt es der „Deutschen Arbeitsfront“ ein. Als neuer Hauptgläubiger kann die DAF nun über den Theaterkonzern bestimmen. Durch eine trickreiche Anwendung des Körperschaftsrechts verschafft sie sich 1934 auch die Aktienmehrheit. Zynisch ist die Vorgabe, dass Altaktionär:innen ihre Anteile verlieren, wenn sie nicht persönlich erscheinen. Max Reinhardt, der – in Lebensgefahr – Deutschland bereits am 8. März 1933 verlassen hat, muss hilflos zusehen. Um sein Lebenswerk zu retten, bietet er im Juni 1933 an, seine Theater dem deutschen Staat zu schenken und erhält keine Antwort.
1935Im Mai 1935 wird „Frau Luna“ inszeniert. Aus der zweiaktigen Operette von 1921 ist eine Revue in neun Bildern entstanden, die eine außergewöhnliche Szenerie bietet: Inmitten einer Wolkenprojektion steigt ein Flugzeug von der Bühne zum Mond auf.
1935
Am 16. Mai 1935 wird „Frau Luna“ im seit 1934 so genannten „Theater des Volkes“ inszeniert, dem später in Friedrichstadt-Palast umbenannten Großen Schauspielhaus. Aus der zweiaktigen Operette von 1921 ist eine Revue in neun Bildern entstanden, die eine außergewöhnliche Szenerie bietet: Inmitten einer Wolkenprojektion steigt ein Flugzeug von der Bühne zum Mond auf.
Um den Komponisten Paul Lincke (1866–1946) ist es nach dem Ersten Weltkrieg still geworden. Die neuen Rhythmen der zwanziger Jahre – Foxtrott, Shimmy oder Jazz – sind ihm fremd geblieben. So beschränkt er sich auf Bearbeitungen. Aus seiner Operette „Frau Luna“, die bereits 1899 uraufgeführt wurde, gestaltet er 1921 ein abendfüllendes zweiaktiges Werk, dem er auch das Marschlied „Berliner Luft“ aus der gleichnamigen Posse von 1904 hinzufügt.
Sein Ruhm ist dennoch nicht verblasst, entsprechend würdigt ihn seine Heimatstadt Berlin zum 60. Geburtstag 1926 als „echten Volksmusiker“. Seine musikalische Sprache bringt indes eher das Lebensgefühl des kaiserlichen Berlins zum Ausdruck. Dies nutzen die nationalsozialistischen Machthaber und vereinnahmen Lincke für ihre Vorstellungen von Unterhaltungskunst.
1938Im Saal werden die Stalaktiten entfernt, die große Kuppel abgehängt, die Bühne verändert. Als „entartet“ gilt jetzt alles, was sich dem nationalsozialistischen Schönheitsideal entgegenstellt, auch Poelzigs Architektur im Theater des Volkes.
1938
Gibt es eine Konstante in der Historie des Gebäudes, dann sind es die Umbauten. 1938 werden im Saal die Stalaktiten entfernt, die große Kuppel abgehängt, die Bühne verändert. Zuvor waren in den Museen des Reiches die Ausstellungen „gesäubert“ worden. Als „entartet“ gilt jetzt alles, was sich dem nationalsozialistischen Schönheitsideal entgegenstellt, auch Poelzigs Architektur im Theater des Volkes.
Mit der Stalaktitenkonstruktion verschwindet der einzige je realisierte expressionistische Entwurf Hans Poelzigs. Die Säulen im Saal werden glatt – sie zieren nun antikisierende Reliefs – und unter die große Kuppel wird eine flach gewölbte Decke eingezogen. Mit den Stalaktiten und der Kuppel verliert der Saal auch seine indirekte Beleuchtung, seine Magie. Das Portal wird dauerhaft auf 18,70 Meter verkleinert. Eine Öffnung der Bühne bis auf dreißig Meter ist nun nicht mehr möglich. Die fahrbaren Podeste der Vorbühne und des Orchesters sind zu dieser Zeit bereits stillgelegt. Lediglich die Podeste auf der Hauptbühne sind noch ausfahrbar wie zur Eröffnung des Großen Schauspielhauses. Dort, wo einst die Schauspielenden von unten in die Orchestra traten, prangt jetzt eine Führerloge samt separatem Vorraum für Empfänge. Als offizielles „Kraft-durch-Freude“-Theater entspricht der Bau nun den Repräsentationsbedürfnissen der neuen Betreibenden.
Eigentümer ist immer noch das Deutsche National-Theater AG, Bauherr des Umbaus die Deutsche Arbeitsfront. Die Umbaukosten betragen 250.000 Reichsmark.
Allerdings – in den Foyers und Umgängen finden keine Veränderungen statt. Hier überlebt die originale Architektur des Großen Schauspielhauses bis zur Schließung 1980. Selbst unter der eingezogenen Decke im Saal sind bis zum Abriss des Gebäudes die Stalaktiten der großen Kuppel zu finden.
1949
Im Sommer 1949 wird der Palast noch einmal zur Großbaustelle. Die letzten Kriegsschäden im Saal und vor allem am Bühnenhaus werden beseitigt. Im Saal erhält die Decke über dem Parkett ein Gemälde und die Bühne wieder eine funktionstüchtige Drehscheibe. Zur Wiedereröffnung im September hat sie die volle bespielbare Größe. Auch die Außenfassade wird generalüberholt.
Mit dem Wiederaufbau des Bühnenhauses hat das Theater endlich seine Bühne mit funktionierender Technik und ihrer 18-Meter-Drehscheibe. Auch der große Rundhorizont wird wieder aufgebaut.
Bisher war eine provisorische Wand hinter dem eisernen Vorhang eingezogen, die vor den schlimmsten Wetterunbilden schützen sollte und die zerstörte Bühne von der Vorbühne, auf der gespielt wurde, trennte. Trotzdem kann es passieren, dass im Winter Schneeflocken auf die Vorbühne wehen. Im Saal finden nach der Wiedereröffnung nunmehr 3400 Zuschauer Platz. Sie müssen auch nicht mehr fürchten, dass es hineinregnet. Der Fallschirm, der ein Loch in der Decke notdürftig abdeckte, hat seine Schuldigkeit getan. Durch die Reparatur der Saaldecke werden künftig auch wieder Trapezdarbietungen möglich sein. Die größte Schwierigkeit stellt jedoch die Reparatur des eisernen Vorhangs dar, der von Granaten zerfetzt ist.
Die Baumaßnahmen orientieren sich allerdings nicht am Vorbild des Großen Schauspielhauses. Ziel ist ein funktionierendes Theatergebäude. Helligkeit ist die Devise der Endvierziger, das gilt für innen wie für außen. So wird auch die Fassade hell verputzt. Das terracottafarbene Äußere der Reinhardt-Ära, weshalb das Haus einst als „drohendes, revolutionäres Gebilde“ bezeichnet wurde, ist Geschichte.
1943Anfang 1943 wird das Theater des Volkes kurze Zeit zum Filmstudio und dient als Varieté „Tabarin“ für die Außenaufnahmen des Films „Akrobat schö-ö-ö-n“. Die Hauptrolle spielt der damals berühmte Clown Charly Rivel, der im Film Ausschnitte seines Bühnenprogramms zeigt.
1943
Anfang 1943 wird das Theater des Volkes kurze Zeit zum Filmstudio und dient als Varieté „Tabarin“ für die Außenaufnahmen des Films „Akrobat schö-ö-ö-n“. Wolfgang Staudte stellt in seinem Debüt als Spielfilmregisseur den damals berühmten Clown Charly Rivel vor die Kamera und schreibt ihm das Drehbuch auf den Leib. Rivel zeigt im Film Ausschnitte seines Bühnenprogramms. An seiner Seite spielen Clara Tabody, Karl Schönböck und Käthe Dyckhoff.
Der Titel „Akrobat schö-ö-ö-n“ stammt von Charly Rivel selbst – er ist sein zum Markenzeichen gewordener Ausspruch. Der Film wird von Dezember 1942 bis Februar 1943 in den Studios in Johannisthal und Grunewald gedreht und startet am 1. Dezember 1943 in Deutschland.
Die Innenaufnahmen aus dem Theater des Volkes im Film gehören zu den sehr raren bewegten Bildern aus dem Theater jener Zeit. Sowohl Zuschauerraum als auch Bühne, Garderoben und Bühneneingang dienen als Kulisse und sind letztmals vor der Kriegszerstörung des Bühnenhauses unbeschädigt zu sehen. In einer Szene lassen sich auch kurz die Umgänge im Foyer erkennen. Noch erhaltene typische Elemente der originalen Poelzig-Architektur wie die Säulen im Foyer werden nicht gezeigt.
1945
Am 17. August 1945 öffnet die Bühne des ehemaligen Großen Schauspielhauses unter dem Namen „Palast der 3000“ ihre Pforten. Marion Spadoni (1905–1998) erhält nur wenige Wochen nach Kriegsende, am 5. August 1945, von der sowjetischen Militäradministration die Lizenz für einen Varietébetrieb im Haus „Am Zirkus 1“.
Als Tochter des Kraftjongleurs Paul Spadoni (1870–1952) und der Schulreiterin Mary Schumann ist Marion Spadoni das Artistinnenleben von klein auf bekannt. Ihr Onkel Albert Schumann kauft 1904 das Gebäude am Spreeufer mit der Adresse Am Zirkus 1. In dieser Manege lernt sie reiten und hat ihre ersten Auftritte als Kunstreiterin und Zauberkünstlerin. Sie überzeugt ihr Publikum auch als brillante Tänzerin.
Fast ihr ganzes Vermögen investiert Spadoni in die Aufräumarbeiten des stark zerstörten Gebäudes und in die Ausstattung der ersten Programme nach Kriegsende. Über die Künstleragentur ihres Vaters nehmen zahlreiche Künstler*innen, die bereits in den Zwischenkriegsjahren erfolgreich aufgetreten sind, Kontakt mit ihr auf. Schnell zieht wieder ein vielfältiges Programm aus Artistik, Vortrag, Revuetanz und klassischem Ballett in den Palast ein. Auch gründet Spadoni ein Kinderensemble, welches bereits Weihnachten 1945 das Märchenspiel „Weihnachtszauber“ aufführt. Dass ihr persönliches Engagement weit über die Welt der Artistik hinausgeht, zeigt sich in den folgenden Jahren. Im Winter 1946/47 wird der Palast zur Wärmestube. In ihrer nur zweijährigen Direktionszeit spendet sie Erlöse aus Aufführungen an die notleidende Bevölkerung, an die internationale Artistenloge und für die Opfer des Faschismus.
Im Jahr 1947 wird ihr die Urkunde zum Fortbestand ihrer Konzession von den Sowjets verweigert, sodass Spadoni den Spielbetrieb einstellen muss. Sie geht nach Rom und kehrt erst wenige Jahre vor ihrem Tod 1998 zurück nach Berlin.
1945
Die erste Kindershow im „Palast-Varieté“
Auch Kindershows haben im Friedrichstadt-Palast eine lange Tradition. Berlin liegt noch in Schutt und Asche, als Marion Spadoni im August 1945 das Haus unter dem Namen „Palast-Varieté“ wiedereröffnet. Ihr Engagement widmet sich schnell auch den kleinen Besucher*innen: Bereits zwei Monate später startet die erste Kindershow „Himmlischer Jahrmarkt“, die zum regelmäßigen Programm am Mittwoch und Sonnabend um 14.30 Uhr wird. Ein „Märchenspiel“ von Hans Zappe, in dem zwei Kinder einen Riesen, einen Zwerg und einen Engel treffen, bildet den Rahmen. Daraus entwickeln sich schnell die Märchentante, der Riese Stelzefuß und der Zwerg Mückefett, die auch in den folgenden Kinderprogrammen „Weihnachtszauber“ und „Fastnachtszauber“ im Februar 1946 auftreten. In die Erzählungen eingebunden sind die artistischen Nummern aus dem Tagesprogramm, es werden alle Möglichkeiten des Groß-Varietés genutzt, in „Himmlischer Jahrmarkt“ etwa Schleuderbrettakrobaten und Skating-Girls. Auch ein Ballett tanzt für die Kleinen. Marion Spadoni lässt zu den Kinderaufführungen trockenes Brot verteilen, was in den Nachkriegsmonaten als Wohltat anzusehen ist. Einmal gibt es sogar Pudding.
1945Berlin bekommt seinen „Palast“ zurück. Am 17. August 1945 beginnt um 17.30 Uhr die erste Vorstellung nach dem Krieg. Direktorin des Hauses ist Marion Spadoni, Tochter einer Artistenfamilie und Großnichte des früheren Zirkusinhabers Schumann.
1945
Berlin bekommt seinen „Palast“ zurück. Am 17. August 1945 beginnt um 17.30 Uhr die erste Vorstellung nach dem Krieg. Direktorin des Hauses ist Marion Spadoni, Tochter einer Artistenfamilie und Großnichte des früheren Zirkusinhabers Schumann. Ihrem privaten Engagement ist es zu verdanken, dass die Stadt wieder ein Großvarieté hat.
Das in Teilen schwer beschädigte, aber immerhin noch nutzbare Theater liegt inmitten einer Trümmerwüste. Die Vorstellungen beginnen am Nachmittag, damit die Zuschauer rechtzeitig vor der Ausgangssperre nach Hause gelangen können.
Noch ist Sommer und das Publikum kann in leichter Kleidung in dem nicht beheizbaren Saal sitzen.
Am 10. August wird Marion Spadoni mitgeteilt, dass am 16. des Monats die Abnahme des Programms erfolgt. Jedes Programm muss zur Zensur an die sowjetische Zentralkommandantur geschickt werden. Alle gesprochenen und gesungenen Texte sind vorher auf Deutsch und Russisch einzureichen.
Spadoni hat mit vielen Hindernissen zu kämpfen. Auf der einen Seite macht ihr die deutsche Bürokratie zu schaffen und auf der anderen die russischen Befehlshabenden.
Um die Bühne überhaupt nutzen zu können, muss sie einige Parkettreihen ausbauen lassen und die Vorbühne in den Zuschauerraum hineinziehen. Denn hinter dem eisernen Vorhang befinden sich nur Trümmer und ein zerstörtes Bühnenhaus.
Das „Palast-Varieté“ ist keine Erfolgsgeschichte vom Start weg. Mühsam bringt Spadoni das Unternehmen über die ersten Wochen. Der Zuschauerstrom ist noch nicht groß genug. Viele meiden die Straße und gehen im Sommer 1945 noch nicht wieder aus. Auch die Werbemöglichkeiten finden enge Grenzen, denn die Litfaßsäulen sind zerstört und Reklamewände in den Ruinen nicht vorhanden.
Besitzer des Theaters ist immer noch die Trägergesellschaft Deutsches National-Theater AG. Diese sieht sich aber nicht in der Lage, Reparaturen am Gebäude durchführen zu lassen. So lässt Marion Spadoni selbst die Bühne, die nicht mehr als ein Podest ist, Ende des Jahres 1945 neu belegen.
1947Der Winter 1946/47 ist einer der kältesten seit Jahrzehnten. Von Anfang Januar bis März liegt Berlin im Dauerfrost. Der Palast öffnet ab dem 9. Januar tagsüber für die notleidende Bevölkerung als „Wärmehalle“. Die anderen Theater Berlins werden dem Beispiel folgen.
1947
Der Winter 1946/47 kommt als einer der kältesten seit Jahrzehnen nach Mitteleuropa. Seit Anfang Januar liegt Berlin im Dauerfrost, der erst im März verschwinden wird. Palast-Direktorin Marion Spadoni öffnet ihr Haus ab dem 9. Januar täglich außer sonntags von 10.00 Uhr bis 16.00 Uhr für die notleidende Bevölkerung als „Wärmehalle“. Die anderen Theater Berlins werden dem Beispiel des Palastes im Februar folgen.
In dieser Zeit, in der Kohle rationiert ist und Strom nur wenige Stunden am Tag fließt, wird alles verheizt, was brennt und Wärme spenden kann. Spadoni bemüht sich um Kohlelieferungen über das Wirtschaftsamt, das die Wärmehallen versorgt. Allerdings wird ihrer Bitte nicht entsprochen mit Hinweis auf die zu geringe Zahl an Menschen, die tagsüber Aufenthalt im Palast suchen. Es gibt auch eine Suppe, die allerdings nach eigener Aussage Spadonis wohl mehr Wasser denn Suppe ist, und für die Vorstellungen stehen täglich 200 Freikarten zur Verfügung. Student:innen der nahegelegenen Universität bekommen einen stillen Rückzugsort angeboten, ebenso Kinder einen extra für sie eingerichteten Raum.
Mehr als 1000 Einwohner:innen erfrieren oder verhungern in diesem Winter in Berlin.
1947Berbé Schmidt ist Mitglied des Kindervarietés im alten Friedrichstadt-Palast. Sie berichtet von einem kleinen Missgeschick bei ihrem ersten Auftritt auf der Bühne und wie sie zu ihrer Rolle gekommen ist.
1947
Berbé Schmidt ist Mitglied des Kindervarietés im alten Friedrichstadt-Palast. Sie berichtet von einem kleinen Missgeschick bei ihrem ersten Auftriit auf der Bühne und wie sie zu ihrer Rolle gekommen ist.
1949
Im Sommer 1949 wird der Palast noch einmal zur Großbaustelle. Die letzten Kriegsschäden im Saal und vor allem am Bühnenhaus werden beseitigt. Im Saal erhält die Decke über dem Parkett ein Gemälde und die Bühne wieder eine funktionstüchtige Drehscheibe. Zur Wiedereröffnung im September hat sie die volle bespielbare Größe. Auch die Außenfassade wird generalüberholt.
Mit dem Wiederaufbau des Bühnenhauses hat das Theater endlich seine Bühne mit funktionierender Technik und ihrer 18-Meter-Drehscheibe. Auch der große Rundhorizont wird wieder aufgebaut.
Bisher war eine provisorische Wand hinter dem eisernen Vorhang eingezogen, die vor den schlimmsten Wetterunbilden schützen sollte und die zerstörte Bühne von der Vorbühne, auf der gespielt wurde, trennte. Trotzdem kann es passieren, dass im Winter Schneeflocken auf die Vorbühne wehen. Im Saal finden nach der Wiedereröffnung nunmehr 3400 Zuschauer Platz. Sie müssen auch nicht mehr fürchten, dass es hineinregnet. Der Fallschirm, der ein Loch in der Decke notdürftig abdeckte, hat seine Schuldigkeit getan. Durch die Reparatur der Saaldecke werden künftig auch wieder Trapezdarbietungen möglich sein. Die größte Schwierigkeit stellt jedoch die Reparatur des eisernen Vorhangs dar, der von Granaten zerfetzt ist.
Die Baumaßnahmen orientieren sich allerdings nicht am Vorbild des Großen Schauspielhauses. Ziel ist ein funktionierendes Theatergebäude. Helligkeit ist die Devise der Endvierziger, das gilt für innen wie für außen. So wird auch die Fassade hell verputzt. Das terracottafarbene Äußere der Reinhardt-Ära, weshalb das Haus einst als „drohendes, revolutionäres Gebilde“ bezeichnet wurde, ist Geschichte.
1954
Als Grenzgänger zwischen den Welten entwirft Wolf Leder jahrzehntelang Bühnenbilder und Kostüme für die Berliner Bühnen. Leder lebt in West-Berlin, doch der Friedrichstadt-Palast, mit dem sein Schaffen am stärksten verbunden ist, befindet sich im Ostteil der Stadt. Das hindert ihn nicht daran, von 1954 bis 1992 die Ausstattung des Hauses zu verantworten.
Geboren am 13. Januar 1906, entwickelt Wolf Leder bereits bei Theaterbesuchen im Kindesalter eine Leidenschaft für das Spiel mit Formen und Farben. Er sieht die Revuen von Erik Charell im Großen Schauspielhaus und von Hermann Haller im Admiralspalast. Nach dem Abbruch der Schule beginnt er 1923 eine Ausbildung an der Kunst- und Kunstgewerbeschule Reimann in der Kostümklasse von Erna Schmidt-Caroll und arbeitet bereits als Bühnenassistent an den Berliner Barnowsky-Bühnen. Nach einigen Jahren außerhalb Berlins, unter anderem in London, zieht es ihn 1931 zurück in seine Geburtsstadt. Neben Ballettausstattungen für den Wintergarten und die Scala beginnt Wolf Leder in diesen Jahren mit der Arbeit für Kinder- und Märchentheater. „Heut’ bin ich verliebt“ heißt die Revueoperette anlässlich der 700-Jahr-Feier Berlins 1937, für deren Gesamtausstattung er im Admiralspalast verantwortlich zeichnet. Am 1. September 1939 beginnt er ein festes Engagement am Staatsvarieté Plaza, das bis zur Schließung des Hauses 1944 andauert.
Nach seiner Soldatenzeit an der italienischen Front 1944 und kurzer Kriegsgefangenschaft kehrt Wolf Leder im Herbst 1945 nach Berlin zurück und beteiligt sich am kulturellen Wiederaufbau der Stadt. Im Juli 1946 staffiert er das Ballett Dita Gérard für das Haus „Am Zirkus 1 Palast der 3000“ aus. 1951/52 beginnt er mit der Ausstattung einzelner Tanzbilder für den Friedrichstadt-Palast. Ab 1954 wird er vier Jahrzehnte lang als Ausstattungsleiter und Chefbühnen- und Kostümbildner tätig sein. Trotz Mauer arbeitet er weiterhin auch für andere Bühnen in beiden Teilen der Stadt.
Fest verankert in der leichten Unterhaltung und dem Showgeschäft, ist Wolf Leder nicht aus der Berliner Theatergeschichte der Nachkriegszeit wegzudenken. Sein Stil, der auf Harmonie zwischen Architektur und Farbe setzt, verbindet diese Zeit mit der Tradition der Bühnen der 1920er Jahre, die Berlin Weltruf einbrachten.
1954
Im Juli 1954 tritt nach dem unerwarteten Tod Nicola Lupos der Theater- und Fernsehregisseur Gottfried Herrmann die Direktion des Friedrichstadt-Palastes an. Es ist ein Paradigmenwechsel: Nach Marion Spadoni und Nicola Lupo wird das Varieté nicht mehr von einem Artisten geführt. Künstlerisch bedeutet dies die größte Veränderung in der Nachkriegsgeschichte des Hauses.
Herrmanns Karriere beginnt als Sänger und Schauspieler am Theater, bevor er nach 1945 Produktionsleiter und Regisseur beim Rundfunk und schließlich Chefregisseur des Deutschen Fernsehfunks wird.
Der neue Direktor beginnt die Spielzeit im August 1954 mit einem Artistenprogramm und Gastspielen. Star ist zweifelsohne Lucienne Boyer, 45.000 Zuschauer erleben „Parlez-moi dʼamour“. Berlin liegt ihr zu Füßen.
Seine erste eigene Inszenierung bringt Gottfried Herrmann im Oktober des Jahres heraus. Mit „Einmal am Rhein“ gibt er seine künstlerische Visitenkarte ab: die revueartige Inszenierung und die Loslösung vom reinen artistischen Nummernprogramm. Größer kann der Kontrast zu seinem Vorgänger Nicola Lupo nicht sein, auch wenn das Nummernprogramm noch seinen Platz im Spielplan behält.
Unter Herrmanns Leitung wird der Palast populärer und internationaler. Große Gastspiele kommen ins Haus: die Ballette des Bolschoi- und des Kirowtheaters, der Moskauer Staatszirkus mit Oleg Popow. Das Ensemble geht auf Reisen nach Westdeutschland und Damaskus, Schönholz, Seelow und Treptow. Das junge Fernsehen in Adlershof überträgt immer wieder live die Palast-Programme.
Herrmann ist es zu verdanken, dass es von 1956 an ein ständiges Kindervarieté im Palast gibt. Die „Palastkinder“ stehen zusammen mit Friedel (Gottfried Herrmann) auf der Bühne und es tanzt zunächst noch das Kinderballett „Karsten Kindiger“. Noch im selben Jahr holt er einen Clown an die Spree, der schnell zum Star der Kinder wird, Clown Ferdinand aus Prag. Bis 1983 wird er in den Kinderrevuen die kleinen Gäste des Hauses begeistern.
Mit nur 45 Jahren stirbt Gottfried Herrmann am 31. Mai 1961. Am 8. Juni findet auf der Bühne des Palastes eine Trauerfeier statt. Dazu kommen auch noch viele Künstler*innen aus Westberlin und Westdeutschland – zwei Monate vor dem Mauerbau in Berlin.
1954
Im September 1954 ist die französische Diseuse Lucienne Boyer zu Gast im Friedrichstadt-Palast. Intendant Gottfried Herrmann erntet viel Applaus dafür, dass er die Pariserin, die vorher eine Amerika-Tournee unternommen hat, in den Friedrichstadt-Palast holt.
Lucienne Boyer wird im Paris der Zwischenkriegsjahre zu einer gefeierten Interpretin des neuen Chansons, die in den Cabarets von Montparnasse den Pariser*innen aus der Seele singt. Viele Menschen fühlen sich von den leicht verständlichen Liedern über Liebe und Leid angesprochen. Ihre Herkunft aus armen Verhältnissen und die Erfahrung, den Bruder und den Vater im Ersten Weltkrieg verloren zu haben, bekräftigen vermutlich diese volkstümliche Interpretation ihrer Kunst.
Der Auftritt im Friedrichstadt-Palast 1954 zeigt, dass aus dem Pariser Mädchen, das in den 1940er Jahren auf dem Broadway gefeiert wurde, eine vielseitig begabte und international erfolgreiche Künstlerin geworden ist. Die Berliner Presse ist begeistert von der Ausdrucksfähigkeit Lucienne Boyers, die ihre Chansons mit der Mimik und den gestischen Mitteln einer Schauspielerin interpretiert. Sie wird von Georges Lifermann auf dem Piano begleitet. Einen besonders lang anhaltenden Applaus gibt es für das erfolgreichste Chanson „Parlez moi d’amour“.
1947Marion Spadoni wird zum 1. September die Lizenz entzogen aufgrund der geschäftlichen Trennung der Unternehmen. Die Geschäfte führt nun Nicola Lupo. Am 1. November wird der „Palast“ in „Friedrichstadt-Palast“ umbenannt und Nicola Lupo neuer Direktor.
1947
Am 1. November 1947 wird der „Palast“ in „Friedrichstadt-Palast“ umbenannt. Marion Spadoni, der zum 1. September bereits die Lizenz entzogen worden war, ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr die Direktorin. Die Umbenennung erfolgt aufgrund einer geschäftlichen Trennung der Unternehmen. Neuer Direktor ist Nicola Lupo, der bereits seit September die Geschäfte des Varietés führt.
Dass das Varieté unter dem neuen Namen „Friedrichstadt-Palast“ eine lange Zukunft haben wird, ist zu diesem Zeitpunkt alles andere als klar. Zunächst ist der Spielbetrieb lediglich für einige weitere Monate ab November 1947 garantiert.
Das Vorspiel zur Umbenennung ist die Entziehung der Lizenz Marion Spadonis zum 1. September 1947. Der Vorwurf lautet Verbindung zur NSDAP, Mitarbeit in der Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) und die Leitung eines Varietés in den von Deutschen besetzten baltischen Gebieten. Spadoni bestreitet diese Vorwürfe. Kurz nach der Militärkommandantur entzieht ihr auch der Berliner Magistrat die Lizenz, obwohl er zuvor eine Verlängerung um weitere drei Jahre zugesichert hat. Bereits ab 10. August darf sie das Theater nicht mehr betreten, die Kostüme für das Septemberprogramm muss sie aus ihrer Wohnung herausgeben. Die eigentlichen Gründe dürften in der privatwirtschaftlichen Betriebsform des Varietés und in der Neuverteilung der städtischen Bühnenensembles auf die vorhandenen Spielstätten liegen. Der Plan des Magistrats für das große Haus sieht eine Neugestaltung und einen Bühnenumbau vor, um künftig das Operettenensemble aus dem Metropol-Theater (heute Komische Oper, 1947 spielt das Ensemble im ehemaligen Kino Colosseum in der Schönhauser Allee) zu beherbergen. Der große Ringtausch der Berliner Bühnen bleibt aus – auch der in Erwägung gezogene Umzug des Palastes nach Weißensee.
1955
Lene Ludwig wächst in einer Musikerfamilie auf, die seit 1909 in Berlin lebt, und erhält eine klassische Ballettausbildung. Vom modernen Tanz einer Mary Wigman angezogen, entwickelt sie eine eigene charakteristische Auftrittsform, in der sie ihre Talente vereint.
Nach der klassischen Ballettausbildung am Deutschen Opernhaus Berlin beginnt Lene Ludwig 1925 ein Zusatzstudium bei Jutta Klamt, deren avantgardistischer Tanzstil von Mary Wigman beeinflusst ist. Jutta Klamt lehrt nach der Tanztheorie Rudolf von Labans. Die Choreografien und Bewegungssysteme, die von Laban entwickelt, basieren auf einem genauen Studium des menschlichen Bewegungsapparats. Sie überwinden die Starre der klassischen Ballettausbildung und werden eine Grundlage des modernen Tanzes. 1929 heiratet Lene den Kunstmaler Peter Ludwig und plant mit ihm gemeinsam ein Puppentheater für Erwachsene, die „Komödie der Holzköpfe“. Aus dieser Idee entwickelt sie für das Varieté Tänze mit Masken, die ihr Mann entwirft. Auf der Bühne zeigt sie Clownerie und Parodien. Bekannte Künstlerinnen wie Greta Garbo, Adele Sandrock, Claire Waldoff und Marlene Dietrich werden von Lene Ludwig kreativ auf die Schippe genommen.
Im Zweiten Weltkrieg verliert die Tänzerin fast alles, allein der große Requisitenkoffer mit Masken und Kostümen, wichtigstes Utensil und zugleich Garderobe auf offener Bühne, ist ihr geblieben. Zunächst findet die Familie in ihrer Heimatstadt Hof Zuflucht, wo Lene Ludwig eine Tanzschule gründet. Nach der Aufhebung der Blockade 1949 kehrt sie nach Berlin zurück. Zum letzten Mal tritt sie mit ihren Maskentänzen 1955 im Friedrichstadt-Palast auf.
1955
Es ist das erste Mal, dass das gesamte Friedrichstadt-Palast-Ensemble auf Gastspielreise geht. Der Palast wird eingeladen, im Juni 1955 14 Tage lang in Düsseldorf, Wuppertal und Hannover zu spielen. Erste Station ist das Apollo-Theater in Düsseldorf. Es wird bis zum Fall der Mauer das einzige Gastspiel in Westdeutschland bleiben.
Das Apollo-Theater ist für den Palast ein perfekter Spielort. Das „Haus der Weltattraktionen“ bietet die passenden technischen Voraussetzungen und die Dimensionen der Bühne – 20 Meter in der Breite und 12,50 Meter in der Höhe – ermöglichen es Gottfried Herrmann und seinem Ensemble, auch große Revuebilder aus den Berliner Inszenierungen mitzubringen. Für das Gastspiel wählt er Höhepunkte aus den Produktionen des vorangegangenen Jahres aus. Regisseur Robert Hanke webt daraus die palasttypische Mischung aus großen Ballettbildern, internationaler Artistik und Conférencen.
Der Bogen, den die Berliner mit den ausgewählten Tänzen, Revuebildern und Darbietungen schlagen wollen, scheint aber wohl etwas zu groß geraten zu sein. Kritische Stimmen attestieren der Show eine uneinheitliche Gesamtstimmung. Die volkstümlichen Ballette und Lieder im ersten Teil entsprechen nicht der Erwartung an das größte Varieté im Lande und stehen im Kontrast zur glitzernden Show vor allem im großen Finale.
Ist auch das Echo auf das Gastspiel überwiegend positiv – dass der Palast im Ostteil Berlins steht, macht einen Unterschied. Ein Rezensent sieht der Revue die unfreien Lebensumstände in der DDR an und attestiert „Stilerstarrung“ in den 1930er und 40er Jahren. Und ängstliche Besucher werden vorgewarnt: „Der Friedrichstadt-Palast liegt tatsächlich im Sowjetsektor Berlins, aber es werden auf der Bühne wirklich keine roten Fähnchen aus der Tasche gezogen.“
1955
Der gerade erst eröffnete neue Tierpark in Berlin und der Friedrichstadt-Palast schließen einen Freundschaftsvertrag, der vorsieht, dass der Palast alle drei Monate eine Vorstellung zugunsten des Tierparks gibt. Die Erlöse fließen in den Aufbau des Parks und in den Ankauf von Tieren. Die erste Vorstellung findet am 14. September 1955 statt. Dabei bleibt es nicht: 1968 (Bild) erneuern der legendäre Tierpark-Direktor Prof. Dr. Heinrich Dathe und der Direktor des Friedrichstadt-Palastes, Wolfgang E. Struck, den Freundschaftsvertrag zwischen den beiden beliebten Berliner Institutionen.
Am 2. Juli 1955 wird der erste Teil des Berliner Tierparks eröffnet. Die Errichtung der Anlage in Berlin-Friedrichsfelde erfolgt aufgrund eines Magistratsbeschlusses aus dem Vorjahr. Der Zoologische Garten liegt durch die Teilung der Stadt im britischen Sektor und deshalb verfügt der sowjetische Teil, die Hauptstadt der DDR, über keine zoologische Einrichtung. Der Bau ist Teil des Nationalen Aufbauwerks der DDR, eine Initiative zur freiwilligen und gemeinnützigen Arbeit. Betriebe, Organisationen, aber auch Privatpersonen beteiligen sich hieran. Über 2000 Freiwillige arbeiten im Frühjahr 1955 im Friedrichsfelder Schlosspark. Die Tiere, die der Park zur Eröffnung zeigt, sind Gastgeschenke anderer Zoos oder werden angekauft.
Im Jahr 2004 übernimmt das Ballettensemble des Palastes gar die Patenschaft für die Flamingos in Friedrichsfelde.
1956
Im Juni 1956 verlegt der Palast sein monatliches Varietéprogramm ins Freie. Auf der Terrasse des Ausflugslokals „Zenner“ in Treptow können die Zuschauer für den Einheitspreis von drei DM, wie die DDR-Mark damals noch heißt, ein Palast-Programm erleben, Livemusik inklusive.
Während im Palast an der Weidendammer Brücke die Handwerker zugange sind – die Saalbestuhlung wird repariert und teilweise ausgetauscht –, treten die Artisten des Palastes auf einer kleinen Freilichtbühne im Garten des Restaurants „Zenner“ auf. Ein komplettes Varietéprogramm wird gezeigt, das Palast-Ballett ist mit Tänzen vergangener Produktionen auch vertreten. Das Orchester hat oberhalb der Bühne auf der Terrasse seinen Platz gefunden, während sich das Publikum an den Tischen bewirten lässt. Die Gartenidylle kann nur vom Wetter gestört werden, denn bei Regen müssen die Vorstellungen ausfallen.
An der Seite von Günther Hintze steht Evelyn Lazar als Moderatorin auf der Bühne. Sie wird Jahre später als erste Moderatorin der Berliner Abendschau des SFB einem großen Publikum bekannt werden.
1957
1957 lacht der „Bär“ zum ersten Mal im Palast – zuvor hat es ihn seit 1955 nur als Radiosendung gegeben, die aus der Deutschen Sporthalle in der Karl-Marx-Allee (1971 abgerissen) gesendet worden ist. Nun führen die „Drei Mikrofonisten“ Heinz Quermann, Gustav Müller und Herbert Köfer durch den Abend. Und der gelegentliche Auftritt von „Weststars“ ist ein Teil des Erfolges dieser Unterhaltungssendung.
Das Moderatorentrio wird für die erste Livesendung im Palast ausgetauscht, Gerd E. Schäfer und Manfred Uhlig übernehmen dieses eine Mal den Part.
Nach einer dreijährigen Pause kommt der „Bär“ 1960 noch einmal auf den Bildschirm zurück.
Am 16. Oktober 1965 geht die letzte Sendung über die Palastbühne. Unbestrittener Star ist Trude Herr, die auf der Rampe sitzend in ihrem Kölner Dialekt das Publikum 20 Minuten lang unterhält. Diese musikrevueartige Form der Fernsehunterhaltung wird zunächst in den Fundus verbannt, um einige Jahre später in noch größerer Form zurückzukehren. In diesem Sinne kann „Da lacht der Bär“ als Vorläufer der späteren Fernsehshow „Ein Kessel Buntes“ gelten.
1954„Einmal am Rhein“ markiert den Beginn einer Entwicklung: Die Produktionen lösen sich vom traditionellen Nummernprogramm und werden revueartiger. Mit der Mischung aus Gesang, Tanz und Artistik inszeniert Gottfried Herrmann eine Stationenrevue ganz im klassischen Sinne.
1954
Am 15. Oktober 1954 schreibt die Berliner Zeitung: „Wiederholt haben wir uns in diesen Spalten für die Inszenierung artistischer Nummern eingesetzt, die über den Ablauf eines reinen Nummernprogramms hinausgeht. Der neue Direktor des Friedrichstadt-Palastes, Gottfried Herrmann, hat jetzt damit einen Anfang gemacht.“ „Einmal am Rhein“ markiert in der Tat den Beginn einer Entwicklung: Die Produktionen lösen sich künftig immer mehr vom traditionellen Nummernprogramm und werden revueartiger.
Dass mit der schrittweisen Loslösung vom Nummernprogramm der Publikumsgeschmack getroffen wird, zeigen die ausverkauften Vorstellungen im Oktober 1954. Gottfried Herrmann hat für die Rheinreise drei große Ausstattungsbilder konzipiert („Fröhliche Rheinfahrt“, „Im tiefen Weinkeller“, „Warum ist es am Rhein so schön?“), die er als Mischung aus Gesang, Tanz und Artistik inszeniert. Er schafft damit eine Stationenrevue ganz im klassischen Sinne.
Bisher lag das Hauptaugenmerk der Programme auf dem Artistischen, Gesang und Tanz sind Beiwerk, bestenfalls „Nummern“. Selbst Rezensenten können ihre Sehgewohnheiten nur schwer ablegen: „Bisweilen lenkt er (der Rahmen, Anm. d. R.) aber auch … vom Eigentlichen, der artistischen Arbeit, ab“ (Neues Deutschland).
Es wird zwar noch dauern, das Erbe der artistischen Nummerndarbietung zu überwinden, dennoch ist die Revue wieder im Haus „Am Zirkus 1“ zurück.
Wie schon seinerzeit beim „Weißen Rössl“ werden die Zuschauenden vor Betreten des Saales auf das Programm eingestimmt. Die Reise in die westdeutsche Weinbauregion beginnt in den diesmal mit Weinlaub dekorierten Umgängen und Foyers und dazu gibt’s in der Pause Livemusik.
1959
Bildnachweise:
Plakat der Inszenierung „Kinder, wie die Zeit vergeht!“ 1959
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Bühneneingang mit Plakatierung „Kinder, wie die Zeit vergeht!“ 1959
Fotograf Walter Weitzer
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. A291
Heinz Quermann, Emmi Merz und Peppi Zahl in „Kinder, wie die Zeit vergeht!“ 1959
Fotograf Walter Weitzer
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. A8430
2 Hellos in „Kinder, wie die Zeit vergeht!“ 1959
Fotograf Walter Weitzer
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. A8458
Ballettsolisten Lily Schön und Alexander Winkler in „Kinder, wie die Zeit vergeht!“ 1959
Fotograf Walter Weitzer
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. A8469
1960
Es ist schon über ein halbes Jahrhundert her, dass Wassermassen in die Manege des ehemaligen Zirkus schossen. Genau an dieser Stelle verwandelt sich im Sommer 1960 der Palast in eine Urlaubsidylle: Die Bühne wird zum Strand und das Parkett weicht einem See.
Ein See im Theater – dort, wo sonst während der Vorstellungen das Publikum im Parkett sitzt, eine spiegelglatte Fläche.
Für die Produktion „Strandkorb Nr. 13“ wird das Parkett ausgebaut und ein mit Folie ausgeschlagenes Wasserbecken ersetzt die Zuschauerreihen. Neun mal elf Meter misst der Miniozean und die Last der 72.000 Liter ist etwas zu viel die Tragfähigkeit des Bodens. Dieser muss von unten mit dicken Holzstämmen abgestützt werden. Auf dem Wasser ziehen ferngesteuerte Boote ihre Runden, das Ballett geht baden und aus einem himmelblauen Schlauchboot erklingen Duette.
Die Szenen wechseln zwischen Wasser, Strand und einem Frisiersalon. Letztere sind im Sommer 1960 offenbar noch Mangelware in der DDR. „Einen solchen gibt es in Berlin vorläufig nur im Palast und bei ,Clivia‘ in der Friedrichstraße“, ist zu lesen. Das Spiel mit Träumen und Sehnsüchten – und wenn’s nur ein Frisiersalon ist – im Sommer 60.
Wer sich als Zuschauer darauf einlässt, wird von einem Rezensenten in den DDR-Alltag zurückgeholt: „Insgesamt hätten wir uns in diesem Programm allerdings auch Zeitbezogenheit gewünscht, da wir ja bekanntlich nicht irgendwo in Polynesien leben, sondern im sozialistischen Berlin“ (Neues Deutschland, 09.08.1960).
Ein Jahr später, im August 1961, kommt die Revue noch einmal in einer leicht bearbeiteten Fassung auf den Spielplan. Gottfried Herrmann, der Palast-Direktor, wird die Proben nicht mehr leiten können. Er stirbt kurz vorher am 31. Mai.
1957Der Prager Schauspieler Jiří Vršťala entwickelt die Kunstfigur Clown Ferdinand ab 1955 für das tschechische Kinderfernsehen. Zwei Jahre später beginnt eine lang anhaltende Kooperation mit dem DDR-Kinderfernsehen und er tritt zum ersten Mal im Friedrichstadt-Palast auf.
1957
Jedes Kind in der DDR kennt Clown Ferdinand. Der Prager Schauspieler Jiří Vršťala entwickelt die Kunstfigur ab 1955 für das tschechische Kinderfernsehen. 1957 beginnt Jiří Vršťala eine lang anhaltende Kooperation mit dem DDR-Kinderfernsehen und tritt zum ersten Mal mit „Clown Ferdinand im Zauberland im Friedrichstadt-Palast“ auf.
Schnell erhält Jiří Vršťala ein Engagement und schreibt, inszeniert und spielt bis 1983 seine Kinderrevuen im Palast. Die Veranstaltungen für die Kleinsten werden mit dem gleichen Eifer und artistischen Engagement produziert wie jene für die Großen. Clown Ferdinand tritt mit weiteren Artist:innen, mit Tieren und Kindern gemeinsam auf. Zusätzlich produziert Jiří Vršťala Filme: „Ferdinand und die Rakete“ feiert 1964 auf dem internationalen Kinderfilmfestival Prix Jeunesse einen großen Erfolg – so groß, dass Clown Ferdinand fortan auch im Westdeutschen Rundfunk Abenteuer erlebt. Der undogmatische und aufgeschlossene Humor des Clowns überwindet Systemgrenzen. Kinder identifizieren sich leicht mit dem gutmütigen, tollpatschigen und stets neugierigen Charakter.
1961Im November 1961 wird Wolfgang E. Struck zum Direktor des Friedrichstadt-Palastes berufen. Bereits in seiner Antrittspressekonferenz spricht er davon, der Ausstattungsrevue zu neuer Blüte verhelfen, aber auch Neues ausprobieren zu wollen. 27 Jahre lang wird er das Revuetheater leiten und in dieser Zeit das Haus zur wichtigsten Unterhaltungsbühne der DDR machen.
1961
Bereits in seiner ersten Inszenierung als Palastdirektor, „Das hat Berlin schon mal gesehen“, gibt Struck seine Visitenkarte ab und inszeniert eine Revue, die ihn unverkennbar als Theatermann ausweist. 1939 nach seinem Schauspielstudium steht er zunächst selbst auf der Bühne, begibt sich aber bald ins Regiefach und leitet die Maxim-Gorki-Bühne in Schwerin. Der Weg zur „heiteren Muse“ scheint ihm nicht vorbestimmt zu sein. In seiner Zeit als Assistent am Berliner Ensemble schickt Bertolt Brecht ihn Anfang der 1950er Jahre zu Hans Pitra ans Metropol-Theater auf die andere Seite des Spreeufers, um ein „Training der Leichtigkeit“ zu absolvieren – ein voller Erfolg: Struck wechselt nun das Genre und wird fortan Kabarett und Kinderstücke, Operette und Musical auf die Bühne bringen. Und für das Sandmännchen entstehen hunderte „Abendgruß“-Filme.
Struck will Neues am Palast versuchen, das Varieté pflegen, die große Revue zu neuer Blüte führen und das Theater dabei nicht vergessen. Nicht jeder Versuch glückt, wie die „Palasticals“ mit Elementen des Theaters, Musicals und der Revue zeigen.
Es sind die Revuen mit Handlungsfaden, für die er steht. Auch reine Musik- und Tanzshows wird es geben. Immer wieder überlässt er Kollegen den Platz auf dem Regiestuhl und gestattet andere Handschriften.
Nicht nur die eigenen Produktionen begründen fortan das Renommee des Hauses. Als er 1961 antritt, ist die innerdeutsche Grenze drei Monate alt. In das enger gewordene Land holt er die große Welt. Namhafte Ensembles stehen auf dem Programm. Weltstars und solche, die es gerade werden, geben sich die Ehre. Auch das Palastensemble ist unterwegs, bereist die Republik und das sozialistische Ausland.
Als er zusammen mit seinem Ensemble, dem er wie ein fürsorglicher Vater vorsteht, am 29. Februar 1980 zum letzten Mal auf der Bühne des alten Palastes steht, ist ihm der Schmerz über den Verlust der angestammten Spielstätte anzusehen. Doch Struck hält das Ensemble zusammen und zieht mit ihm 1984 in den Neubau an der Friedrichstraße ein.
Zum 1. September 1988 muss Wolfgang E. Struck aus gesundheitlichen Gründen aus dem Berufsleben ausscheiden. Es ist ihm ein Anliegen, die Geschichte der Unterhaltung in der DDR anhand eigener Erlebnisse aufzuschreiben. Dazu wird ihm jedoch keine Zeit mehr bleiben: Nur fünf Monate später, am 14. Februar 1989, stirbt er.
1963
„Die Frau des Jahres“ heißt das erste „Palastical“, das im November 1963 Premiere hat. Die Wortschöpfung aus „Palast“ und „Musical“ ist Programm. Vanna Olivieri, die „korsische Nachtigall“, ist der Star der ersten Ausgabe.
Als Direktor Wolfgang E. Struck in seiner Antrittspressekonferenz im November 1961 das Wort „Palastical“ fallen lässt, wird deutlich, dass er neue Pfade beschreiten will. Mit der Verbindung aus „Palast“ und „Musical“ versucht er, geschlossene dramaturgische Formen für das Revuetheater zu entwickeln. In der Praxis handelt es sich um Geschichten, die mit Revueelementen und Artistik aufgelockert werden.
Ausgerechnet das Vorgängerprogramm des ersten Palasticals heißt „Sterne am Varieté“. Größer kann der Unterschied nicht sein zwischen diesem traditionellen Nummernprogramm mit Conférencier (hier Heinz Quermann) und dem Versuch des Palasticals, eine durchgehende Handlung zu erzählen. Diese wird in ausgedehnten Dialogen inszeniert, Ballett und Artistik werden zu beiläufigen Nummern in diesem Gefüge. Die Kritik lässt nicht auf sich warten. Zwar folgen dem ersten Palastical noch weitere, doch die Grenzen sind schon jetzt erkennbar. Direktor Struck selbst resümiert zehn Jahre später, dass das Vorhaben vor allem an der Akustik des Riesenhauses scheiterte. (Neues Deutschland, 21.12.1973)
Doch nicht nur. Während sich der Palast 1963 mit seinem ersten „Palastical“ auf das Terrain des Musicals (und der Operette) begibt, bringt das Ensemble des Metropol-Theaters einen Monat zuvor eine Revue („Himmel, so ein Theater“) heraus, eigentlich das Metier des Palastes. Mögen die Genregrenzen fließend sein, das Profil des Palastes darf es nicht. Die vielen unbesetzten Plätze allabendlich zeigen es.
1962Eine 25-Jährige taucht zum ersten Mal auf dem Besetzungszettel auf: Helga Hahnemann. „Eine kleine Nachtmusike“ wird ihr Palast-Debüt, die Rolle klein, aber der Eindruck, den sie hinterlässt, groß. Damals noch als „mehr lautstarke denn stimmschöne ,Klemmbrumme‘“ bezeichnet, wird aus dem „jungen Talent“ einer der beliebtesten Unterhaltungsstars der DDR.
1962
Eine 25-Jährige taucht zum ersten Mal auf dem Besetzungszettel auf: Helga Hahnemann. „Eine kleine Nachtmusike“ wird ihr Palast-Debüt, die Rolle klein, aber der Eindruck, den sie hinterlässt, groß. Damals noch als „mehr lautstarke denn stimmschöne ,Klemmbrumme‘“ bezeichnet, wird aus dem „jungen Talent“ einer der beliebtesten Unterhaltungsstars der DDR.
Es ist der Anfang einer engen Verbindung Helga Hahnemanns, der „Henne“, und des Friedrichstadt-Palastes. Noch wird es aber einige Jahre dauern, bis sie alleine oder mit Kollegen durch die Programme führt. Ab Ende der 1970er Jahre ist sie regelmäßiger Gast in den Produktionen, geht mit dem Palast auch nach Schließung des alten Hauses auf Tournee. Die ausgebildete Schauspielerin schlüpft in unterschiedliche Rollen, kreiert eigene Charaktere. Als Claire Waldoff brilliert sie in „Hallo, Berlin 7-5-0“, als Traudel Schulze gewährt sie Einblick in Privates am Küchentisch. Sie tanzt, sie spielt, sie moderiert. Die Popularität der seit 1969 zum Ensemble des DDR-Fernsehens
gehörenden Entertainerin ist groß, nicht zuletzt da sie auch Sängerin mit einem eigenen, unverwechselbaren Repertoire ist. Die Songs werden für sie geschrieben und getextet, ihr in den Mund gelegt. Helga Hahnemann ist ihre eigene Marke, ihre Auftritte sind immer auch ein Stück Personality-Show.
Und wenn sie ihre eigene Show im Palast der Republik präsentiert, ist sogar dort der Friedrichstadt-Palast mit dabei: Mitglieder des Palast-Balletts tanzen an ihrer Seite.
1966
Die elfte Folge „Mit dem Herzen dabei“ am 16. April 1966 ist dem 20. Jahrestag der Gründung der SED gewidmet. In dieser Sendung kommt es zu einer Begegnung der besonderen Art: Staats- und Parteichef Walter Ulbricht und der ehemalige Justizminister der DDR, Max Fechner, stehen gemeinsam auf einer Bühne.
Max Fechner ist bis zu seiner Amtsenthebung 1953 Justizminister der DDR. Der Vorwurf der homosexuellen Handlungen unter Ausnutzung seines Dienstverhältnisses dürfte nur ein Vorwand gewesen sein. Anstoß erregt seine Haltung zum Arbeiteraufstand am 17. Juni 1953. Dem „Neuen Deutschland“ sagt er in einem Interview: „Das Streikrecht ist verfassungsmäßig garantiert.“ Der Parteispitze gilt dies als Verrat. Fechner wird in einem geheimen Prozess verurteilt und 1956 vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen. Er wird nie vollständig rehabilitiert, versucht sich aber bei Ulbricht anzubiedern und nutzt die populäre Fernsehsendung als Plattform dafür.
„Mit dem Herzen dabei“ ist ebenso wie „Da lacht der Bär“ ein vom Rundfunk übernommenes Format, das nun für das Fernsehen produziert wird. Im Januar 1964 sendet Radio DDR die erste Folge aus Hoyerswerda. Am 7. Oktober 1964, zum 15. Jahrestag der DDR, startet „Mit dem Herzen dabei“ im Fernsehen, wird die Radiosendung zur großen Abendshow. Anders als bei „Da lacht der Bär“ stehen hier nicht Stars und Prominente im Mittelpunkt. Erfinder und Moderator der Show, Hans-Georg Ponesky, holt Arbeiter*innen und Angestellte, die einfachen Leute, auf die Bühne und stellt sie ins Rampenlicht. Welch große Bedeutung dieser Mischung aus Spiel- und Überraschungsshow mit Musik zugeschrieben wird, zeigen die Sendetermine: An den großen Feiertagen der DDR inszeniert das Fernsehen, wie die kleinen Träume vor der großen Fernsehfamilie der Republik wahr werden.
1967
Viele internationale Stars treten im Friedrichstadt-Palast auf. Am 25. Januar 1967 macht ein besonderer Gast spontan in Berlin Halt und begeistert die Menschen.
Ella Fitzgerald hat nach Konzerten in Island und Stockholm einen Termin frei. Die Bemühungen, sie an den Friedrichstadt-Palast zu holen, sind erfolgreich. Am Tag des Vorverkaufs stehen bereits um 5:30 Uhr die ersten Berliner*innen für Tickets an, obwohl der Vorverkauf erst um 12 Uhr beginnt. Nach nur 90 Minuten ist das Gastspiel ausverkauft. Am Konzertabend landet Ella Fitzgerald auf dem Flughafen Tempelhof und erreicht um 21:43 Uhr den Friedrichstadt-Palast. Hier erwarten sie bereits Fans, bei denen sie sich mit Kusshänden für den Beifall bedankt.
Das Konzert beginnt um 22:30 Uhr, Zeit für eine Probe bleibt nicht. Dennoch zieht sie ihr Publikum ab der ersten Sekunde in den Bann. Die Musik spielt das Jimmy Jones Trio: Jimmy Jones am Piano, Bob Cranshaw am Bass und Sam Woodyard am Schlagzeug. Das Publikum fordert mit tosendem Beifall Zugabe um Zugabe. Aus den geplanten 60 bis 70 Minuten werden über zwei Stunden, erst weit nach Mitternacht verabschiedet sich Ella Fitzgerald von ihren Fans. Nach dem Konzert überreicht ihr Direktor Wolfgang E. Struck die Ehrennadel des Hauses mit den Worten: „Es ist jetzt zehn Minuten nach eins. Sie haben einen anstrengenden Tag hinter sich, aber ich darf Ihnen noch einmal sagen, wie ungeheuer glücklich wir sind, dass Sie hier waren.“
1964Helga Molling begleitet den Palast von 1964 bis 1980 als Tänzerin. Danach wechselt sie von der Bühne ins Büro, in den Besucherdienst. Sie erzählt, was der Friedrichstadt-Palast für sie bedeutet und warum sie so gerne in der Kickline getanzt hat.
1964
Helga Molling begleitet den Palast von 1964 bis 1980 als Tänzerin. Danach wechselt sie von der Bühne ins Büro, in den Besucherdienst. Sie erzählt, was der Friedrichstadt-Palast für sie bedeutet und warum sie so gerne in der Kickline getanzt hat.
1968Das Novemberprogramm „da capo“ wartet mit wechselnden Gaststars auf. Ein Name wird alle überstrahlen: Josephine Baker. Sie ist jetzt 63 Jahre alt und tritt mit wallendem Schwanenpelz, Federboa und großem Kopfputz auf – sichtlich nicht mehr ganz neu und nicht mehr ganz weiß.
1968
„da capo“ nennt sich das Novemberprogramm mit wechselnden Gaststars. Doch ein Name wird alle überstrahlen: Josephine Baker, „das schöne Idol aus braunem Stahl, Ironie und Gold“, wie Jean Cocteau sie beschreibt. Sie ist mittlerweile 63 Jahre alt und tritt mit wallendem Schwanenpelz, Federboa und großem Kopfputz auf – sichtlich nicht mehr ganz neu und nicht mehr ganz weiß.
Es ist der zweite Anlauf für einen Auftritt im Palast. Sechs Monate zuvor – in Leipzig war sie noch aufgetreten – musste sie die Tournee wegen einer Grippe absagen. Josephine Baker ist zweifelsohne der Höhepunkt des Programms „da capo“, ihr Auftritt ganz Reminiszenz in eigener Sache.
Sie ist eine außergewöhnliche Frau, die ihr Alter nicht versteckt. Ein halbes Leben liegt mittlerweile zwischen ihrem ersten Berlin-Auftritt, als sie den Charleston in die Stadt brachte, und heute. „Wie lange ist das alles her – 40 Jahre, bedenken Sie! Man wird sich seines Alters so bewusst.“ Baker wirbelt am Abend über die Bühne, füllt sie nach allen Seiten, setzt sich auf die Rampe, um dem Publikum nah zu sein. Sie ist nicht mehr die, die Cocteau einst beschrieb, und die will sie auch gar nicht mehr sein.
„Sie trägt nicht die gläserne Schlankheit der späten Dietrich, ist nicht das stramm gebliebene Mädel wie Marika Rökk. Sie zeigt, daß es Winter wurde bei Josephine“ (Die Zeit, 29.11.1968).
Und nach der Vorstellung gibt sie noch geduldig bis tief in die Nacht hinein allen Wartenden am Bühneneingang Autogramme.
1972
Am 15. Juli 1972 wird der vierte „Kessel“ live gesendet, er gilt vielen als der bis dahin beste. Über seine Höhepunkte besteht jedoch Uneinigkeit, die sich am Stargast Johannes Heesters festmacht. Das „Neue Deutschland“ spricht von „Abgestandenem“, die „Berliner Zeitung“ vom „kleinen Staub“ – Heesters gilt als vorgestrig und Vertreter einer „Kino-Traumfabrikation vergangener Zeiten“. Dass ausgerechnet er mit dem amerikanischen Sänger-Schauspieler Dean Reed in einer Sendung auftritt, stößt manchem sauer auf.
Wie sehr der „Kessel Buntes“ den kulturpolitischen Leitlinien der DDR untergeordnet ist und an ihnen gemessen wird, zeigt das geteilte Echo auf die vierte Folge. Auch wenn sich der Montagsfilm im DDR-Fernsehen aus dem UfA-Fundus der 1930er und 40er Jahre bedient, die Liveversion mit Johannes Heesters am Samstagabend als Höhepunkt der Sendung geht manchem einen Schritt zu weit. So viel Nostalgie und Rückschau passt nicht zum sozialistischen Unterhaltungsverständnis. Und damit trifft der „Kessel“ einen Nerv. Der Regisseur der Sendung, Karlgerhard Seher, wird später berichten, wie er in den Vorschaubildern der Kameras im Saal viele Frauen mittleren Alters sah, die Tränen in den Augen hatten.
Doch noch ein anderes Element der Kritik mischt sich hinein: Herablassend ergeht man sich über „Töne und Tönchen“ von Peggy March und Paola. Dass diese Kritik am Gesang Künstlerinnen trifft, die nicht aus der DDR oder den befreundeten sozialistischen Ländern kommen, ist geübter Brauch zu dieser Zeit und nur das Vorspiel zu dem, was nach der siebten Folge des „Kessel Buntes“ einen vorläufigen Höhepunkt erreicht.
Und dennoch: Der „Kessel“ ist bereits mit Folge vier die große Fernsehshow, die Millionen vor den Bildschirm lockt.
1972Am 29. Januar geht der erste „Kessel“ live auf Sendung. Die Fernsehrevue ist eine Mischung aus Tanz und Musik, Artistik, Kabarett und Zirkus und wird zwei Jahrzehnte lang die wichtigste Unterhaltungsshow des Fernsehens der DDR sein.
1972
29. Januar 1972 – der erste „Kessel“ geht live auf Sendung. Neu ist vieles und Altbekanntes gibt es auch. Was vor ein paar Jahren die „Drei Mikrofonisten“ waren, sind jetzt die „Drei Dialektiker“. Der „Kessel“ wird zwei Jahrzehnte lang die wichtigste Unterhaltungsshow des DDR-Fernsehens. Die Fernsehrevue ist eine Mischung aus Tanz und Musik, Artistik, Kabarett und Zirkus und trifft den Zeitgeschmack, auch in Westdeutschland.
„Ein Kessel Buntes“ ist das Aushängeschild der Fernsehunterhaltung der DDR. Und natürlich sind es die „Weststars“, die zum Erfolg beitragen. Das Kabarettistentrio, das mit seinen Witzen und Gags nah an der ostdeutschen Lebenswirklichkeit dran ist, genießt diese Freiheit nur ein Jahr lang. Der siebte „Kessel“ wird zur Zäsur und die kabarettistischen Einlagen unpolitischer. Manfred Uhlig, Lutz Stückrath und Horst Köbbert präsentieren die Sendung nur bis 1977. Danach darf (oder muss?) jeder, der Rang und Namen in der DDR-Unterhaltung hat, den „Kessel“ präsentieren.
Ab 1977 ist der Palast nicht mehr der exklusive Aufführungsort für die internationale Fernsehshow. Es geht in den neueröffneten Palast der Republik und durch die Stadthallen der Republik. Ab 1984 kehrt die Show jedoch immer wieder in den neuen Friedrichstadt-Palast zurück.
Auf dem Sendeplatz am Samstagabend tritt der „Kessel Buntes“ auch gegen die Flaggschiffe der ARD und des ZDF an und hat einen hohen Stellenwert bei den politisch Verantwortlichen.
1974
Die DDR kennt viele Orden und Auszeichnungen. Der Orden „Banner der Arbeit“ wird an Einzelpersonen und Kollektive verliehen, auch ganze Betriebe und Kombinate können für ihre hervorragenden und langjährigen Leistungen zur Stärkung der DDR ausgezeichnet werden. 1974 erhält der gesamte Friedrichstadt-Palast den Orden.
„Erfüllung und Übererfüllung des Volkswirtschaftsplanes 1973“
Es ist eine Auszeichnung außer der Reihe. Ranghohe Parteifunktionäre verleihen den bedeutenden staatlichen Orden in der Regel zum 1. Mai und anlässlich des Republikgeburtstages am 7. Oktober im Staatsratsgebäude. Besondere langjährige Leistungen werden ebenso bedacht wie spezielle Erfindungen oder einzelne Projekte. Mal wird die Entwicklung eines neuen technologischen Verfahrens ausgezeichnet, ein anderes Mal der Aufbau des Sozialismus im Allgemeinen.
Die Träger*innen des Ordens sind ein Querschnitt durch das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben der Republik. Die Masse der verliehenen Orden nährt den Verdacht, dass sich nahezu alle Betriebe der Republik auf der Tafel der ewigen Besten wiederfinden.
„In Anerkennung hervorragender Leistungen und Ergebnisse im sozialistischen Wettbewerb zur Erfüllung und Übererfüllung des Volkswirtschaftsplanes 1973“ steht auf der Urkunde, die dem Palast-Ensemble von Hans-Peter Minetti in einer Feierstunde überreicht wird.
1977
Am 18. November 1977 öffnet der alte Friedrichstadt-Palast nach sechsmonatiger Schließung wieder seine Pforten. „Fantasie in Farbe“ heißt das Programm und Farbe hat auch sichtbar Einzug gehalten: 2430 weinrote Sitze wurden im Saal montiert und das Foyer komplett neu gestrichen. Doch aufwendiger waren die Sanierungsmaßnahmen, die die Zuschauer nicht sehen können.
Mitte Mai 1977 wird der Palast-Saal zur Großbaustelle. Das gesamte Parkett wird ausgehoben, die seit Jahrzehnten stillgelegten mechanischen Anlagen aus der Zeit des Großen Schauspielhauses werden teilweise entfernt. Mit ihnen konnte seinerzeit der Boden in der Höhe verfahren werden.
Ein neues Kesselhaus bekommt der Palast ebenso wie ein neues Lichtstellwerk und eine etwas vergrößerte Bühne – vor allem aber endlich eine neue Heizungsanlage und eine Warmwasserversorgung. Mit dem Austausch des „knarrenden Holzgestühls“ aus der Zeit des Großen Schauspielhauses verliert der Palast aber auch ein weiteres Stück seiner Geschichte.
Parallel zu den Bauarbeiten entsteht im ehemaligen Casino eine neue Spielstätte, die vor der Eröffnung noch als „Kleine Bühne im Friedrichstadt-Palast“ bezeichnet, später als „Das Ei“ bekannt wird.
Das Palast-Ensemble ist in der Zwischenzeit auf Gastspielreise im Inland und in Moskau. Im Rossija-Theater zeigt es zum Teil in russischer Sprache das Programm „Revue ’77“. Auch der „Kessel Buntes“ sucht sich eine neue Spielstätte: Im Juli ist Debüt im Palast der Republik – mit dem Ballett des Friedrichstadt-Palastes.
1973Nach fünf Folgen wird der „Kessel“ bunt und mit der siebten feiert er Geburtstag. „Es lebe der erste Jahrestag“ steht auf dem Transparent der Moderatoren und zur Feier des Tages gibt’s ein neues Bühnenbild. Die Nachwäsche hat es allerdings in sich.
1973
Nach fünf Folgen wird der „Kessel“ bunt und mit der siebten feiert er Geburtstag. „Es lebe der erste Jahrestag“ steht auf dem Transparent der Moderatoren und zur Feier des Tages gibt’s ein neues Bühnenbild. Die Nachwäsche hat es allerdings in sich, spätestens jetzt ist die Sendung im Kampf der Systeme angekommen.
„Drüben nutzt der Pfusch dem Unternehmer, bei uns haben alle was davon“ (Manfred Uhlig als einer der „Drei Dialektiker“ in einer Zwischenmoderation)
Welchen Stellenwert der „Kessel Buntes“ in der DDR-Kulturpolitik spielt, wird in der Nachbesprechung der siebten „Kessel“-Folge mehr als deutlich.
Vermeintliche Zuschauerzuschriften werden bemüht, die eine Gütekontrolle fordern, den „Drei Dialektikern“ Horst Köbbert, Manfred Uhlig und Lutz Stückrath wird politische Prinzipienlosigkeit vorgeworfen. Und man konstruiert eine Gegenüberstellung, die auf der einen Seite den „Künstler aus unserer Republik“, den „Spitzenstar aus unserer sozialistischen Staatengemeinschaft“ sieht und auf der anderen Seite die Künstler*innen aus dem westlichen Ausland. Von „Wettstreit“ ist die Rede, sogar der Begriff „minderwertige Ware“ wird zitiert. Der siebte „Kessel“ ist zweifelsfrei eine Zäsur, der Ton der Rezensent:innen unmissverständlich: „Sollte der Auftritt des schon äußerlich nicht ästhetisch wirkenden Jankowski-Chores aus der BRD uns beweisen, wie weit niveaulose Unterhaltung westlicher Machart gehen kann? Dafür sollten uns sowohl der ,Kessel‘ als auch unsere Devisen zu schade sein. Vor allem aber war das eine Zumutung für die Zuschauer“ (Neues Deutschland, 24.01.1973).
Wie sagte einst der ehemalige Palast-Direktor Gottfried Herrmann? „Es gibt keinen sozialistischen Handstand.“ Offensichtlich wird ihm da jetzt vehement widersprochen.
Noch 21 weitere Folgen werden die „Drei Dialektiker“ die Fernsehsendung präsentieren, ab jetzt allerdings im Weichspülgang.
1980Wolfgang Stiebritz ist 40 Jahre lang am Palast engagiert, erst als Solotänzer und zuletzt als stellvertretender Ballettdirektor. Er erzählt von der Grundsteinlegung für das Gebäude des neuen Friedrichstadt-Palastes und schwärmt von den technischen Möglichkeiten des Neubaus.
1980
Wolfgang Stiebritz ist 40 Jahre lang am Palast engagiert, erst als Solotänzer und zuletzt als stellvertretender Ballettdirektor. Er erzählt von der Grundsteinlegung für das Gebäude des neuen Friedrichstadt-Palastes und schwärmt von den technischen Möglichkeiten des Neubaus.
1981
Die letzte Vorstellung im alten Palast ist nicht einmal eineinhalb Jahre her, da wird am neuen Standort der Grundstein gelegt. Orchester und Ballett ziehen dafür kurz in die Baugrube um, und wie es sich für einen Unterhaltungstempel gehört, wird getanzt und das Orchester spielt live. Die Ballettsolisten Wolfgang Stiebritz und Rainer Genss übergeben die Gründungskassette an Direktor Struck.
In der Gründungskassette, die sich weit unter der heutigen Bühne befindet, liegen eine Tageszeitung, Münzen, Plakate und Programmhefte, ein Buch, ein Ballettkostüm und Schuhe.
Auf der Suche nach einem geeigneten Grundstück sind unterschiedliche Standorte diskutiert worden, so etwa die Integration des Theaters in einen Einkaufskomplex im mittleren Teil der Friedrichstraße, dort, wo heute das „Quartier 206“ steht. Letztlich fällt die Entscheidung für das Grundstück Friedrichstraße 107, unweit des alten Standortes.
Mit dem Bau des neuen Friedrichstadt-Palastes fällt der Startschuss für die von der DDR geplante Neugestaltung der Friedrichstraße. Vieles soll entstehen, aber der Palast bleibt eines der wenigen Projekte, die Wirklichkeit werden.
Später wird die verdichtete Bebauung den etwas zurückversetzten Neubau an der Friedrichstraße im Straßenbild schwerer erkennbar machen.
1980Am 29. Februar meldet die staatliche Nachrichtenagentur ADN, dass ab dem 1. März keine Vorstellungen mehr im Friedrichstadt- Palast stattfinden können. Die Sicherheit der Zuschauer:innen sei nicht mehr gewährleistet. Am Abend findet die letzte Vorstellung statt.
1980
Freitag, 29. Februar 1980, ausverkauftes Haus. Zum letzten Mal Publikum im Friedrichstadt-Palast, darunter viele, die hier oft auf der Bühne standen. Wenige Stunden vorher meldet die staatliche Nachrichtenagentur ADN, dass im Friedrichstadt-Palast ab dem 1. März 1980 keine Vorstellungen mehr stattfinden können. Die Sicherheit der Zuschauer:innen sei nicht mehr gewährleistet.
Als am 5. Februar 1980 die Premiere der „Seekiste“ über die Bühne geht, ahnt wohl niemand, dass es die letzte im Palast sein wird. Verzogene Brandschutztüren, herabfallende Elemente der abgehängten Decke im Saal – bereits seit einiger Zeit kontrolliert die staatliche Bauaufsicht der DDR die Folgen, die die Absenkung der Gründungskonstruktion nach sich zieht. Zu Schaden ist bisher glücklicherweise niemand gekommen, aber das Risiko ist hoch.
Über die Gründe für die Absenkung wird spekuliert. Man vermutet, dass die Eichenpfähle, auf denen vor gut 100 Jahren die erste Markthalle errichtet wurde, die Gebäudemassen nicht mehr tragen und das Fundament deshalb nachgibt. Oder hat der Neubau der Charité eine Absenkung des Grundwassers samt einer fatalen Änderung der Palast-Statik hervorgerufen? Berlins schwieriger Baugrund wird, so scheint es, dem Gebäude nun zum Verhängnis.
Zum Schluss der Vorstellung am 29. Februar schiebt sich der Eiserne Vorhang zur „Berliner Luft“ hinein und wird sich nie wieder für ein Publikum im Saal öffnen. Tränen in den Augen beim Ensemble, stehende Ovationen vom Publikum. Das Ende für ein großes Theater, für das Ensemble nicht.
Nach nur elf Tagen steht es mit der „Seekiste“ wieder auf der Bühne – im Palast der Republik.
Und der Friedrichstadt-Palast? Er dient zumindest weiter als Probestätte und bleibt den Mitarbeiter:innen zunächst erhalten, wenn auch ohne Publikum.
1982
Im Juli 1982 gastiert das Ensemble der Staatsoper Unter den Linden in Italien und das heimatlose Ensemble des Palastes zieht für ein paar Tage in die ehrwürdige Lindenoper. Was wie eine Koproduktion aussieht, ist lediglich eine günstige Gelegenheit, „eine weitere Spielstätte zu entdecken“, wie Direktor Wolfgang E. Struck in einem Interview erklärt.
Der Palast erweist dem Spielort die Ehre: Struck inszeniert eine Revue mit Opernadaptionen, das Ballett tanzt nach Tschaikowski. Und Willi Schwabe, dem Publikum bekannt aus der „Rumpelkammer“, einer beliebten Sendung des DDR-Fernsehens, führt durch das Programm.
„Revue in der Oper, Oper in der Revue“ – mit diesem Slogan, der auch prägnant das Programm der Show in der Staatsoper umschreibt, begrüßt Schwabe das Publikum. Auf einem Gartenfest treffen sich bekannte Personen der Opernliteratur, Anlass für einen Querschnitt durch das leichtere Repertoire von Oper, Operette und Musical. Im Ensemble dieser Revue finden sich daher auch stimmgewaltige Kolleg:innen des „ernsten“ Fachs, allen voran Brigitte Eisenfeld.
Das Orchester des Palastes spielt ungewohntes Repertoire. Opern- und Operettenmelodien gehen den Palastmusikern nicht so leicht von der Hand, die Musicalnummern im zweiten Teil schon eher. Ungewohntes auch für die Sänger: Brigitte Eisenfeld singt mit Uwe Jensen im Duett.
Das Palastballett muss mit einer sehr viel kleineren Bühne auskommen, als die Tänzer:innen es von anderen Gastspielen, vor allem im Palast der Republik, gewohnt sind. Geprobt wird immer noch im alten Friedrichstadt-Palast auf der Bühne, auf der die engeren Dimensionen der Gastspielbühnen mit Strichen markiert sind. Und es wird mit Hochdruck einstudiert. Bereits acht Tage nach der letzten Vorstellung in der Staatsoper hat das Palastensemble schon wieder Premiere – „Revue 82“ im Palast der Republik.
1981Von 1981 bis 1991 ist Julia Richter Mitglied des Jungen Ensembles. Die heutige Schauspielerin erinnert sich besonders an Clown Ferdinands Auftritte, erzählt, welches Verhältnis sie mit einem Drachen hatte und über eine Panne mit einem Xylophon.
1981
Von 1981 bis 1991 ist Julia Richter Mitglied des Jungen Ensembles. Die heutige Schauspielerin erinnert sich besonders an Clown Ferdinands Auftritte, erzählt, welches Verhältnis sie mit einem Drachen hatte und über eine Panne mit einem Xylophon.
1984Jürgen Ledderboge betreut als Oberbauleiter den Bau des neuen Friedrichstadt-Palastes von der Projektierung bis zur Schlüsselübergabe. Er berichtet über die Herausforderungen, die solche Großprojekte mit sich bringen und was Milch-Melkanlagen mit dem Foyer zu tun haben.
1984
Jürgen Ledderboge betreut als Oberbauleiter den Bau des neuen Friedrichstadt-Palastes von der Projektierung bis zur Schlüsselübergabe. Er berichtet über die Herausforderungen, die solche Großprojekt mit sich bringen und was Milch-Melkanlagen mit dem Foyer zu tun haben.
1985
Mit dem Tag der Eröffnung des neuen Friedrichstadt-Palastes im Jahr 1984 sind die Tage des alten Theaterbaus gezählt. Das Haus Am Zirkus 1 wird jetzt nicht mehr für die Verwaltung, als Probenstätte oder für die Werkstätten benötigt. Doch der Abriss 1985 ist nur vorletzte letzte Akt in seiner wechselvollen Geschichte. Erst zwanzig Jahre später werden die letzten Reste des Gebäudes beseitigt.
„Wir wissen nicht, was dereinst die Geschicke dieses Hauses sein werden“*
Der Rückbau des Hauses erfolgt stückchenweise. Einer effektheischenden Sprengung widersetzt sich das Theatergebäude. Sein Grund besteht immer noch aus der Stahlkonstruktion der ersten Markthalle, ergänzt durch Stahlfachwerk. Zunächst klafft am Giebel der Bühnenseite ein riesiges Loch, später auch zur Reinhardtstraße. Schweres Gerät schiebt den alten Hauptgang in der Mitte der ehemaligen Markthalle frei. Das Haus wird seziert, filetiert – buchstäblich in seine Einzelteile zerlegt. Man erkennt die Reihen im Saal, die Poelzig-Säulen im Foyer. Eine Säule mit Beleuchterkabine steht noch neben dem früheren Bühnenportal. Im Sommer 1985 zeigen sich die Reste der großen achteckigen Kuppel aus jener Zeit, als hier noch der Zirkus zu Hause war. Sie stehen auf dem gelben Klinkermauerwerk, das seinerzeit die Markthalle trug. Das Bühnenhaus ist zu diesem Zeitpunkt schon nahezu vollständig abgetragen.
An der gegenüberliegenden Seite aber kommt die originale Fassade von 1867 zum Vorschein. Der große Giebel, den Poelzig 1918 für das Große Schauspielhaus konzipierte, war wie eine Kulisse davorgesetzt worden.
Der Blick geht jetzt ungehindert in das Gebäude hinein, zum Ballettsaal, der hoch über dem Foyer lag, und nach rechts in die erste Etage zum einstigen „Ei“. Die berühmten Säulen im Foyer – zerfetzt stehen sie da, der Gipsstuck hängt in Bruchstücken an ihnen herab.
Das Gebäude wird in dieser Zeit nicht vollständig abgerissen. Es wird eingeebnet. Das Untergeschoss ruht im Untergrund der großen Brachfläche die nächsten zwei Jahrzehnte. Mit dem Beginn der Neubebauung des Areals im Jahre 2006 kommen die letzten Reste zum Vorschein – die Kellergewölbe der ersten Markthalle und Relikte der Bühnentechnik aus der Zeit des Großen Schauspielhauses.
* Zitat Fritz Engel, Berliner Tageblatt vom 29.11.1919, über die Eröffnung des Großen Schauspielhauses
1987
Es ist der Tag nach der Aufzeichnung des 86. „Kessel Buntes“, die Kameras sind noch nicht verstaut. Eine große Leinwand dominiert die Vorbühne des Palastes. Darauf fast spartanisch ein Schriftzug: „Shirley Bassey“. An zwei Abenden wird sie das Publikum begeistern. Fast unauffällig tritt sie durch das Orchester hindurch auf die Bühne und singt ihre erste Zeile: „Goldfinger“.
Das Konzert, eine Veranstaltung des Fernsehens der DDR, findet im Rahmen der Veranstaltungen anlässlich des 750-Jahr-Jubiläums der Stadt Berlin statt.
Ein großes Orchester hat sich auf der Bühne formiert – das Rundfunk-Tanzorchester, ergänzt von Streichern des Rundfunk-Tanzstreichorchesters Berlin. Peter Tomasso, der Shirley Bassey in dem 80-minütigen Konzert kaum einen Moment lang aus den Augen lässt, navigiert den großen Orchesterapparat spielerisch um die große Diva herum.
Sie macht zwischen den Liedern keine großen Worte, begrüßt knapp das Publikum und kündigt den einen und anderen Titel an. Ihre Hände jedoch sprechen an diesem Abend, illustrieren und interpretieren unvergleichlich die gesungenen Phrasen – fast schon eine Choreographie, die nur Shirley Bassey so beherrscht.
Sie beginnt mit „Goldfinger“ und endet mit „This Is My Life“, dazwischen Songs und Lieder, die durch sie groß geworden sind. Dreißig Jahre lang steht sie bereits auf der Bühne, das Konzert – ein klingendes Inhaltsverzeichnis ihrer Karriere.
„Dankeschön und auf Wiedersehen“, sagt sie zum Schluss auf Deutsch und verschwindet zur Reprise „I Am What I Am“ so unauffällig, wie sie aufgetreten war. Sie ist, was sie ist. Ganz groß.
Bildnachweis:
Shirley Bassey im Friedrichstadt-Palast 1987
© Archiv Friedrichstadt-Palast
1987
Berlin feiert seine 750 Jahre – getrennt in Ost und West. In den ersten Monaten des Festjahres präsentiert der Friedrichstadt-Palast noch keine eigene neue Produktion. Diese sind den großen Gastspielen vorbehalten. Mit „Hallo, Berlin 7-5-0“ steht auf der Palastbühne einmal mehr eine große Berlin-Revue und ganz in der Tradition des Hauses wird auch etwas eigene Geschichte untergebracht.
Fast fünf Monate lang stehen im Jubiläumsjahr 1987 Konzerte und Gastspiele auf dem Palast-Programm: Shirley Bassey, „Bonsoir Paris“ (eine Pariser Revue), Udo Jürgens, „Holiday on Ice“.
Und dann wieder einmal Berlin. Nachdem Helga Hahnemann und Alfred Müller im Prolog von „Hallo, Berlin 7-5-0“ die Grundsteinlegung der als erste Berliner erfolgreich zuwege gebracht haben, spielt das erste Bild in ebenjenem Gebäude, das später einmal der große Palast werden soll.
Wie schon in den Produktionen „Das hat Berlin schon mal gesehen“ (1961) und „Berlin – täglich neu“ (1981) greift Hausherr und Regisseur Wolfgang E. Struck auf bewährte und erprobte Epochen zurück: Zille, Charleston und Frau Luna – das hat man wirklich schon mal gesehen.
Für den langjährigen Ausstattungschef Wolf Leder ist es die letzte komplette Ausstattung mit Bühnenbild und Kostüm. Stilsicher bringt er in seiner eigenen geschmackvollen Handschrift das alte Berlin auf die Bühne, die er hierfür rot streichen lässt.
Wie schon in den Berlin-Revuen davor (und auch danach) entzieht sich aber das moderne Berlin den adäquaten Revuebildern und wirken die Federboas doch eher als Gruß einer vergangenen Epoche. Wolf Leder zitiert sich zum Abschluss seiner Karriere noch einmal selbst – eine große Ära geht zu Ende.
1984Es sind Dimensionen eines Staatsakts – die Oberen der Partei- und Staatsführung der DDR sitzen im Publikum. Das DDR-Fernsehen überträgt erst eine Stunde später – zu wenig Zeit, um die Pointen des Conférenciers O.F. Weidling vor dem Ausstrahlen einzukassieren.
1984
Es sind Dimensionen eines Staatsakts – bereits die Pressekonferenz am Vormittag ist international besetzt, das Interesse groß. Am Abend hebt sich der Vorhang vor dem Premierenpublikum, darunter die Oberen der Partei- und Staatsführung der DDR. Das DDR-Fernsehen überträgt mit einer Stunde Verzögerung ab 20.00 Uhr – zu wenig Zeit, um die Pointen des Conférenciers O.F. Weidling vor dem Ausstrahlen einzukassieren.
Nach knapp drei Jahren Bauzeit findet das Ensemble eine neue Heimat. Hier ist nicht nur alles neu, sondern hat auch andere Dimensionen. Die Bühne und das Ballett werden größer, die Girlreihe länger.
Als sich vor der Vorstellung Direktor Wolfgang E. Struck, der von nun an Intendant ist, vor den eisernen Vorhang stellt und sagt: „Vor Ihnen steht ein glücklicher Mensch“, darf man ihm das glauben. Immerhin hat er das Ensemble ohne feste Spielstätte vier Jahre lang zusammenhalten müssen.
Was dann auf der Bühne zu sehen ist, zeigt vor allem die Möglichkeiten des neuen Hauses: Bühnenwagen und Flugwerke, Wasserbassin und -kaskaden, Eisfläche und ein fahrendes Orchester. Der „Spiegel“ spricht vom vermutlich höchsten Kubikmeterpreis der DDR. Selbst für die „Fliegenden Glorias“ am Trapez ist nun genug Platz im neuen Haus. Helga Hahnemann, Dagmar Frederic und Karel Gott sind dabei, auch Gassers Seelöwen aus der Schweiz.
O.F. Weidling, der bekannteste Conférencier der Republik, hat es an diesem Abend mit seinen spitzzüngigen Moderationen, vor allem über die Versorgungslage in der DDR, jedoch schwer vor dem geladenen Publikum. „Genosse Mittag hat nicht gelacht … Doch, jetzt schmunzelt er.“ Wohl nicht nur dem angesprochenen Wirtschaftslenker der DDR stoßen die Pointen auf – Weidlings Auftritte werden nahezu komplett aus der Fernsehwiederholung herausgeschnitten und auch seine eigene Sendung „Treff mit O.F.“ wird nicht mehr ausgestrahlt.
1990
Ein Gipfeltreffen der besonderen Art – „Guten Abend, Deutschland!“ versammelt auf der Bühne, was in der ost- wie westdeutschen Unterhaltung Rang und Namen hat. Am 6. Mai 1990 überträgt das ZDF live die große Unterhaltungsshow. Die Koproduktion von ZDF und Deutschem Fernsehfunk wird in ihrer Art einmalig bleiben.
„Meine Damen, meine Herren – sie sind alle angezogen wie Thomas Gottschalk“…
… mit diesen Worten bedankt sich Frank Elstner in seiner Begrüßung beim Ballett des Friedrichstadt-Palastes, das die große Unterhaltungssendung eröffnet hat. Lange muss das Publikum auf Gottschalk nicht warten. Elstner präsentiert zwei Trios aus Moderatoren des ZDF – außer Gottschalk, Wim Thoelke und Dieter Thomas Heck – und des Deutschen Fernsehfunks – Gunther Emmerlich, Hans-Joachim Wolfram, Helga Hahnemann.
Die Show ist eine Mixtur der einzelnen Unterhaltungssendungen, die die Moderatoren im Fernsehen präsentieren: Gottschalk kommt mit „Wetten, dass …“ und muss sich der Stadtwette stellen, Wolfram versucht „Wenn schon, denn schon“ dem ZDF-Publikum näherzubringen und Heck spielt live mit Prominenten die Ratesendung „Die Pyramide“.
Thoelke testet Wissen beim „Großen Preis“. Eine der beiden Kandidatinnen ist die bayerische Fernsehmoderatorin Carolin Reiber. Die zweite, Ansagerin beim DFF, wird später selbst eine große ZDF-Show bekommen: Carmen Nebel.
Helga Hahnemann steht für den „Kessel Buntes“, singt ihr „Hundert Mal Berlin“ und bringt noch einmal das Glanzstück des 100. „Kessels“: die Gerichtsszene mit Alfred Müller.
Eine kurzweilige Show wird daraus nicht. Man respektiert sich auf der Bühne und kämpft um die Pointen. Freude am gemeinsamen Auftritt will nicht so recht aufkommen. Das mag auch daran liegen, dass Frank Elstner nicht ganz sattelfest mit den Namen seiner Kolleg:innen aus der DDR ist. Vor allem aber treten die Unterhaltungsstars nicht miteinander, sondern nebeneinander auf. Wer die Regie des Abends hat, ist unverkennbar – das ZDF.
1990
„Ätsch, noch sieben Tage, dann bin ick ooch’n Wessi“ – mit diesen Worten begrüßt Helga Hahnemann die Premierengäste und schwebt von der Saaldecke herab. Es ist die letzte Premiere des Palastes in der DDR und, was noch keiner ahnt, die letzte der beliebten Entertainerin. Gut ein Jahr später stirbt sie überraschend und mit 54 Jahren viel zu früh.
„Friedrichstadt-Palast for ever“
In vier Revuebildern spannt sich ein Bogen vom steinzeitlichen Berlin bis zum Zukunftstraum, die Olympischen Spiele noch einmal in die Stadt zu holen.
Es berlinert sich thematisch durch den Abend. Die Show versucht den Puls der Zeit zu erfühlen und wirkt bemüht gegenwartsbezogen. Das Ballett tanzt mit Bannern „Friedrichstadt-Palast for ever“, zwei Ostdeutsche (gespielt von Helga Hahnemann und Alfred Müller) finden sich in einem Rotlicht-Etablissement wieder. Alfred Struwe gibt den skrupellosen Investor, der aus dem Palast eine Spielhölle machen will – die Angst um den Fortbestand des Hauses wird auf der Bühne verhandelt. Und Helga Hahnemann, der Star des Abends, sieht sich einem Publikum gegenüber, dem sie zum Teil unbekannt ist.
Zum zweiten Mal seit der Wiedereröffnung des Hauses Am Zirkus 1 durch Marion Spadoni muss der Friedrichstadt-Palast um seine Zuschauer:innen kämpfen. Waren es 1945 die Umstände im Nachkriegsberlin, die das Publikum anfänglich nur zögerlich ins Theater kommen ließen, so sind es nun wieder die Umstände in der diesmal mauerlosen Stadt. Das alte Stammpublikum, dem die Westberliner Schaufenster jetzt glamouröser erscheinen als der Palast, soll nun nicht nur D-Mark für die Karten bezahlen, sondern auch den dreifachen Preis. Und die Neugier aus den alten Bundesländern hält sich in Grenzen. Die Revue in Berlin braucht aber die Zuschauer:innen aus ganz Deutschland, um überleben zu können und zu dürfen.
Die Girlreihe in schwarz-rot-goldene Maillots zu kleiden macht sie jedoch noch längst nicht zu einer gesamtdeutschen Attraktion. Dies wird länger dauern, als man es zu jenem Zeitpunkt ahnt.
1990Bis zur ersten Wahl eines Gesamtberliner Senats 1991 verwalten der Magistrat von Berlin (Ost) und der Senat von Berlin (West) die Stadt gemeinsam. Wie aber umgehen mit den Kultureinrichtungen der ehemaligen Hauptstadt der DDR?
1990
Die friedliche Revolution in der DDR bringt am 9. November 1989 die Berliner Mauer zum Einsturz. Die 28 Jahre währende Teilung der Stadt ist überwunden. Knapp ein Jahr später, am 3. Oktober 1990, wird auch die Deutsche Einheit vollzogen. Die vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges verlassen Berlin.
Bis zur ersten Wahl eines Gesamtberliner Senats (1991) verwalten der Magistrat von Berlin (Ost) und der Senat von Berlin (West) die Stadt gemeinsam. Wie aber umgehen mit den Kultureinrichtungen der ehemaligen Hauptstadt der DDR? Nicht nur der Friedrichstadt-Palast gerät plötzlich in existentielle Not.
Unterhaltungstheater, Revue zumal, gilt Anfang der 1990er im Westen als nicht unbedingt förderungswürdig. Die Bühnengeschichte seit 1919 fällt bei der Beurteilung nicht ins Gewicht, der Palast wird auf die sogenannte „Abwicklungsliste“ gesetzt. Dort landen alle Institutionen, die entweder dauerhaft geschlossen werden sollen oder bestenfalls vollständig zu privatisieren sind, sofern sich ein Investor findet.
Die kurzzeitigen Intendanten Reinhold E. Stövesand und Hans-Gerald Otto müssen eine schwierige Aufgabe bewältigen: 1989 hat das Haus über 800 Beschäftigte, die auf 500 reduziert werden. Wie vielerorts, ist auch der Palast nicht frei von ehemaligen Mitarbeiter:innen, die mit der Staatssicherheit (Stasi) verbunden waren und nun das Haus verlassen müssen. Und schließlich lässt der gewohnte Zustrom der Gäste nach, die nun ihr Vergnügen auch in den Kulturtempeln im Westteil (oder gleich in Paris in anderen Revuetheatern) suchen. Für Gäste aus dem Westteil oder gar Gäste der Stadt findet der Palast in diesen Jahren noch nicht das richtige Rezept.
Das Ensemble spielt allabendlich gegen die Abwicklung an und zunehmend wird auch die Öffentlichkeit aufmerksam, denn: der seit 1991 Gesamtberliner Senat kann weder die Schließung durchsetzen, noch einen geeigneten Investor finden. Er setzt Prof. Julian Herrey als Intendanten ein, der dem Haus ein neues, international tragfähiges Profil geben und eine Privatisierung ohne öffentliche Mittel vorbereiten soll.
Die Revue „JazzLeggs“ wird die erste und letzte große Produktion dieser Übergangszeit, mit enormem Aufwand inszeniert, erreichen die Bildwelten das Publikum nicht. Ensemble und Intendant trennen zum Schluss tiefe Gräben – der Senat muss erkennen, dass seine Pläne in die Sackgasse führen.
Im September 1993 ernennt Kultursenator Ulrich Roloff-Momin den früheren Dramaturgen Alexander „Sascha“ Iljinskij zum neuen Intendanten. Der verschafft dem Haus ein kaum noch vermutetes künstlerisches Comeback und legt damit den Grundstein für die landeseigene GmbH, in die das Theater 1995 überführt wird. Das Gesamtberliner Publikum hat den Palast da längst wieder für sich entdeckt und auch Tourist:innen kommen mehr und mehr. Das Land Berlin bekennt sich fortan zur Pflege und Weiterentwicklung des musikalischen Unterhaltungstheaters und der Revue. Ein neues Kapitel ist aufgeschlagen…
1993
Der 1992 eingesetzte Intendant Julian Herrey will den Palast, den er mit einem „Trabbi“ vergleicht, „wie einen Ferrari fahren“. Auf der Fahrt verliert er nicht nur die Zuschauer:innen, sondern auch den damaligen Dramaturgen des Hauses Alexander Iljinskij. Letzterer geht und Herrey bringt das Haus an den Rand der Existenz. Im September 1993 stoppt der Senat die Talfahrt, Pläne für eine Privatisierung des Hauses werden jedoch verworfen. Iljinskij kehrt zurück: Zum 1. Oktober wird er der neue Intendant.
„Ich binʼs“*
Alexander Iljinskij hat bereits unterschiedlichste Stationen in seiner Karriere hinter sich, bevor er 1989 als Dramaturg an den Palast kommt. Er moderiert ein kleines Talkshowformat im Fernsehen, ist Produzent von Musikveranstaltungen, leitet den Musikclub im Schauspielhaus.
Iljinskij macht gleich zu Beginn seiner Intendanz etwas, das vor ihm kein Leiter des Hauses getan hat: Er stoppt die Vorbereitungen der nächsten Shows und lässt in kürzester Zeit zwei neue vorbereiten – nach sechs Monaten Vorlauf hat „Classics“ auf der großen Bühne Premiere und „Träume“ schon nach zwei Monaten in der Nachtrevue.
Iljinskij verankert das Haus in Berlin, bei den Berliner:innen und macht es wieder populär. Die Rettung ist nur über steigende Zuschauerzahlen zu erreichen. Und die Gäste kommen zurück. Er schafft es, wieder Interesse für das Haus sowohl beim Publikum als auch in der Politik zu wecken. Sonderveranstaltungen wie der „Tag der offenen Tür“, das „Weihnachtsliedersingen“, Benefiz- und Silvestergalas sind die geeigneten Einsprengsel in den En-suite-Spielplan, um immer wieder Aufmerksamkeit zu erzielen. Und die braucht der Palast dringend, seine Existenz ist seit dem Kriegsende bis zu diesem Zeitpunkt noch nie so bedroht gewesen. Iljinskij gilt als sein Retter in der Nachwendezeit. Innerhalb kurzer Zeit steigt die Auslastung von 35 Prozent im Sommer 1993 auf 80 Prozent.
Sascha, wie Iljinskij genannt wird, installiert ein Format, das es in Berlin so vorher nicht gegeben hat: die Weihnachtsrevue „Jingle Bells“. Inspiriert vom New Yorker Vorbild hat jährlich eine neue Weihnachtsshow Premiere, zunächst mit einer Laufzeit von nur zwei Wochen, ab 1998 dann die ganze Adventszeit lang. „Jingle Bells“ ist eine Erfolgsgeschichte, allerdings auch ein großer logistischer und finanzieller Aufwand für das Haus.
Alexander Iljinskij, der selbst Regie führt, schreibt und dem Fernsehpublikum auch als Moderator bekannt ist, verlässt 2004 den Palast, um fortan als freischaffender Autor zu arbeiten. Am 4. April 2009 stirbt er unerwartet mit nur 61 Jahren.
* Alexander Iljinskij am Tag seiner Ernennung zum Intendanten vor der Belegschaft
Bildnachweis:
Alexander Iljinskij, Intendant des Friedrichstadt-Palastes von 1993 – 2004
Fotograf Siegfried Stolpmann
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. A1191
1996
1997
1955
Lene Ludwig wächst in einer Musikerfamilie auf, die seit 1909 in Berlin lebt, und erhält eine klassische Ballettausbildung. Vom modernen Tanz einer Mary Wigman angezogen, entwickelt sie eine eigene charakteristische Auftrittsform, in der sie ihre Talente vereint.
Nach der klassischen Ballettausbildung am Deutschen Opernhaus Berlin beginnt Lene Ludwig 1925 ein Zusatzstudium bei Jutta Klamt, deren avantgardistischer Tanzstil von Mary Wigman beeinflusst ist. Jutta Klamt lehrt nach der Tanztheorie Rudolf von Labans. Die Choreografien und Bewegungssysteme, die von Laban entwickelt, basieren auf einem genauen Studium des menschlichen Bewegungsapparats. Sie überwinden die Starre der klassischen Ballettausbildung und werden eine Grundlage des modernen Tanzes. 1929 heiratet Lene den Kunstmaler Peter Ludwig und plant mit ihm gemeinsam ein Puppentheater für Erwachsene, die „Komödie der Holzköpfe“. Aus dieser Idee entwickelt sie für das Varieté Tänze mit Masken, die ihr Mann entwirft. Auf der Bühne zeigt sie Clownerie und Parodien. Bekannte Künstlerinnen wie Greta Garbo, Adele Sandrock, Claire Waldoff und Marlene Dietrich werden von Lene Ludwig kreativ auf die Schippe genommen.
Im Zweiten Weltkrieg verliert die Tänzerin fast alles, allein der große Requisitenkoffer mit Masken und Kostümen, wichtigstes Utensil und zugleich Garderobe auf offener Bühne, ist ihr geblieben. Zunächst findet die Familie in ihrer Heimatstadt Hof Zuflucht, wo Lene Ludwig eine Tanzschule gründet. Nach der Aufhebung der Blockade 1949 kehrt sie nach Berlin zurück. Zum letzten Mal tritt sie mit ihren Maskentänzen 1955 im Friedrichstadt-Palast auf.
1999
Bildnachweise:
Eleonora Alexandrova im Bild „Winter“, 1999
Fotograf Bernd Lammel
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Plakat der Inszenierung „Elements“, 1999
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. B769
Gesangssolistin Coco Fletscher mit den Ballettsolisten René Prauser und Alexandra Chopova im Bild Sommer, 1999
Fotograf Bernd Lammel
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. A1048
1991Alina Levshin wird mit sechs Jahren Mitglied im Jungen Ensemble. Die Schauspielerin erzählt, was den Palast aus ihrer Sicht besonders macht – damals und heute – und wie echte Lebkuchen auf die Bühne kamen.
1991
Alina Levshin wird mit sechs Jahren Mitglied im Jungen Ensemble. Die Schauspielerin erzählt, was den Friedrichstadt-Palast aus ihrer Sicht besonders macht – damals und heute – und wie echte Lebkuchen auf die Bühne kamen.
2000
Bildnachweis:
Plakat der Inszenierung „Revue Berlin“, 2000
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. B136
2001
In einem ihrer Konzerte kündigt Marlene Dietrich dem Publikum den nächsten Song aus dem „Blauen Engel“ an. Alle warten auf „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ und in den Applaus hinein sagt sie trocken: „Not that one, the other one: ,Lola‘“. In der Geburtstagsgala zu Ehren des Weltstars singt Ute Lemper beide Lieder.
„War sie nicht wunderbar? Ja, das war sie“*
Am 27.12.2001 wäre Marlene Dietrich 100 Jahre alt geworden. Im Palast laufen die Proben für die Hommage an die gebürtige Berlinerin auf Hochtouren. An ihrem Grab in Schöneberg werden Blumen niedergelegt. Mit dabei – Ute Lemper.
Einen Tag nach dem 100. Geburtstag des Weltstars hat die außergewöhnliche Gala in Starbesetzung Premiere, die zugleich der offizielle Festakt des Landes Berlin für die 1992 verstorbene Marlene Dietrich ist.
Der Galaabend ist ein Konzert. Zwar erweist ihr auch das Palast-Ballett die Ehre, aber es sind die Sänger:innen und Schauspielerinnen, die diesem Abend die einzigartige Atmosphäre verleihen. Zu hören sind ausnahmslos Lieder, die Marlene Dietrich in ihren Konzerten gesungen hat. Auf dem großen Bühnenhorizont erscheinen Fotos all jener Dinge, die sich in ihrem Nachlass fanden: Hunderte Kofferanhänger ihrer Reisen um die ganze Welt, Briefe, ihre Feldtasche aus dem Krieg – Und ihr Telefon, beklebt mit Namensschildchen – in den letzten Jahren der einzige Kontakt zur Außenwelt. Zeugnisse eines Lebens.
Angelica Domröse zitiert die berühmt gewordene Konzertkritik von Mike Gibson über ihre letzte Tournee 1975. Im Saal eine ungewöhnliche Stille. „War sie nicht wunderbar? (…) Ja, das war sie.“* Das Publikum hält für einen kurzen Moment den Atem an. In die Stille hinein stimmt Ute Lemper a capella „Ich bin von Kopf bis Fuß“ an.
* Mike Gibson in „Daily Telegrah“ Sydney, 24.09.1975, Premierenkritik der letzten Konzertreise von Marlene Dietrich
2002
Bildnachweise:
Plakat der Inszenierung „Wunderbar – die 2002. Nacht“, 2002
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. B764
Sylvester Spiewak als „Segelmann“ in der Inszenierung „Wunderbar – die 2002. Nacht“, 2002
Fotograf Herbert Schulze
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. A181
2005Eleonora Alexandrowa kommt 1989 an den Palast und tanzt sowohl in der „Kleinen Revue“ als auch in der „Großen Revue“. Wie man Diva, liebevolle Mutter und die Zerstörung Casanovas unter einen Hut kriegt, erzählt die ehemalige Solotänzerin.
2005
Eleonora Alexandrowa kommt 1989 an den Friedrichstadt-Palast und tanzt sowohl in der „Kleinen Revue“ als auch in der „Großen Revue“. Wie man Diva, liebevolle Mutter und die Zerstörung Casanovas unter einen Hut kriegt, erzählt die ehemalige Solotänzerin.
2003
Bildnachweis:
Programmheft der Inszenierung „Lieblingsfarbe Bunt“, 2005
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. C1295
Thomas Fehlen als Alfons und die „Farben“, 2003
Fotograf Sven Darmer
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. A812
Felix Powroslo als Alfons mit den Kindern des Kinderensembles, 2005
Fotograf Bernd Lammel
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. A814
Felix Powroslo als Alfons und Johann-Michael Schneider als Kröti, 2005
Fotograf Bernd Lammel
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. A815
Johann-Michael Schneider als Kröti mit den Kindern des Kinderensembles, 2005
Fotograf Bernd Lammel
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. A816
2004
Bildnachweis:
Programmheft der Inszenierung „Hexen“, 2004
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. C362
Leah delos Santos als “Bella”, Susann Malinowski-Märtens als „Wicca“, Katja Berg als „Clony“ und Iris Makris als „Donna“ im Pausenfinale „Walpurgisnacht“, 2004
Fotograf Sven Darmer
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. A927
2005
Bildnachweise:
Plakat der Inszenierung „Casanova“, 2005
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Adrian Becker als „alter Casanova“, Eleonora Alexandrova als „Donna Ignacia“ und das Ballett des Friedrichstadt-Palastes im Bild „Spanien“, 2005
Fotograf Sven Darmer
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. A838
Das Ballett des Friedrichstadt-Palastes im Bild „Karneval in Venedig“, 2005
Fotograf Sven Darmer
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. A850
2006
Bildnachweise:
Plakat der Inszenierung „Glanzlichter“, 2007
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. B6
Girltanz „C’est si bon“, 2006
Fotograf Sven Darmer
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. A860
Danny Costello und das Ballett des Friedrichstadt-Palastes im Opening „Berlin geht an“, 2006
Fotograf Sven Darmer
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. X1545
Santina Maria Schrader und das Ballett des Friedrichstadt-Palastes in „La mer“, 2006
Fotograf Sven Darmer
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Inv.-Nr. X1558
2008
Selten war der Erfolgsdruck auf eine Produktion so groß wie zur Premiere „Qi – eine Palast-Phantasie“. Es geht um nicht weniger als den Fortbestand des Palastes. „Qi“ überzeugt und markiert den Beginn der erfolgreichen Zeit unter Berndt Schmidt.
„Klar, es ist Verschwendung – und es ist großartig“*
Es ist das dritte Mal nach der Wende 1989, dass der Palast in Schwierigkeiten steckt, die seine Existenz bedrohen. Nur mit einem Gesellschafterdarlehen des Landes Berlin wäre das Theater in der Lage, weiter spielfähig zu bleiben. Zum Zeitpunkt der Premiere am 9. Oktober deutet sich eine breite Zustimmung im Abgeordnetenhaus an. Das erhöht den Erfolgsdruck umso mehr. „Qi“ ist zweifellos die letzte Chance, die der Palast hat, um sich zum Erfolg zurückzuspielen und den Beweis anzutreten, dass mit einer Neuorientierung des Spielplans eine Zukunft des traditionsreichen Unterhaltungsgenres möglich ist. Doch diese wird es nur geben, wenn sich Umsatz und Auslastung der Vorstellungen deutlich erhöhen.
„Qi“ ist zwar eine klassische Nummernrevue ohne ein verbindendes Element, aber die aufwändigste in der Geschichte des Hauses. Besondere Effekte auf der Bühne werden zum Markenzeichen dieser Produktion. Die größte technische Herausforderung ist eine fahrbare Eisfläche, die die gesamte Vorbühne einnimmt. Und das Ballett tanzt zum allerersten Mal im Regen.
Erstmalig seit der Eröffnung des neuen Friedrichstadt-Palastes dürfen die Zuschauer:innen eine Flugtrapezdarbietung, die Flying Cranes, bewundern.
Das Wort „Qi“ stammt aus dem Chinesischen und bedeutet Energie, Atem, auch Temperament und Kraft. All dies kehrt mit „Qi – eine Palast-Phantasie“ auf die Bühne zurück und damit der Erfolg.
Der Vertrauensvorschuss der politisch Verantwortlichen in die Könnerschaft und Professionalität des Ensembles ist nicht enttäuscht worden.
* tip-Berlin, 20.10.2008
2002Thomas Hermanns – Gründer des Quatsch Comedy Clubs – verrät, warum es zwischen ihm und der Kleinen Revue im Keller Liebe auf den ersten Blick war und wie es ihm gelang, Mitglied der berühmten Kickline zu werden – zumindest für einen Augenblick…
2002
Thomas Hermanns – Gründer des Quatsch Comedy Clubs – verrät, warum es zwischen ihm und der Kleinen Revue im Keller Liebe auf den ersten Blick war und wie es ihm gelang, Mitglied der berühmten Kickline zu werden – zumindest für einen Augenblick…
2009
Bildnachweise:
Haupteingang des Friedrichstadt-Palastes, 2009
Fotograf Sascha Radke
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Galaveranstaltung „20 Jahre Mauerfall“ im Friedrichstadt-Palast, 2009
Fotograf Sascha Radke
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Teilnehmer der Galaveranstaltung, 2009
Fotograf Sascha Radke
© Archiv Friedrichstadt-Palast
Galaveranstaltung „20 Jahre Mauerfall“ im Friedrichstadt-Palast
Fotograf Sascha Radke
© Archiv Friedrichstadt-Palast
2013
Nach drei Jahrzehnten tadellosen Einsatzes wurde 2013 die gewaltige Trafostation im Keller des Palastes, die 1984 zur Eröffnung des neuen Hauses eingesetzt wurde, durch eine moderne Anlage ersetzt.
Bevor ein Stück DDR-Industriegeschichte verschwand, warf der renommierte US-Fotograf Steven Coppenbarger einen letzten Blick auf die Anlage. Hier die Fotoserie in DIE ZEIT.
2008Gina Stiebitz tanzt fünf Jahre lang im jungen Ensemble. Hier erzählt sie, warum sie nicht über das Casting ins Ensemble kommt, sondern als Quereinsteigerin und berichtet von ihren schönsten Momenten im Palast.
2008
Gina Stiebitz tanzt fünf Jahre lang im jungen Ensemble. Hier erzählt sie, warum sie nicht über das Casting ins Ensemble kommt, sondern als Quereinsteigerin und berichtet von ihren schönsten Momenten im Friedrichstadt-Palast.
2014
Im Dezember 2014 besucht Hollywoodstar Cate Blanchett unter strenger Geheimhaltung den Friedrichstadt-Palast und arbeitet mit dem internationalen Ballettensemble für das Kunstprojekt „Manifesto“ von Julian Rosefeldt zusammen. In dieser ungewöhnlichen Kooperation instruiert sie als strenge Choreographin die sechzig Tänzer:innen des Palastes mit Fluxus-Traktaten.
Cate Blanchett trägt als Grabrednerin das Dada-Manifest vor, betet als konservative Mutter bei Tisch Pop-Art-Postulate und schreit als Obdachlose Deklamationen des Situationismus in die Welt. Die zweifache Oscarpreisträgerin spielt in der Filminstallation dreizehn Rollen auf zwölf Leinwänden.
Hierbei handelt es sich um die bisher aufwändigste Arbeit des Künstlers und Regisseurs Julian Rosefeldt, dessen Werke bereits im Museum of Modern Art in New York und der Royal Academy of Arts London gezeigt wurden. Nach der Weltpremiere im Australian Centre for the Moving Image in Melbourne war „Manifesto“ unter anderem im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart in Berlin zu sehen. Eine lineare Filmversion feierte auf dem Sundance Film Festival 2017 Premiere und kam anschließend auch international in die Kinos.
Cate Blanchett, beim Dreh im Palast auf deutlich älter geschminkt, zeigt sich sehr beeindruckt vom Haus: „Es war eine einzigartige Erfahrung, im Palast zu drehen und mit dem Ballett sowie den außergewöhnlichen Darstellern aus THE WYLD zu arbeiten. Dieses Erlebnis wird mir lange im Gedächtnis bleiben.“
2014Der französische Modedesigner Jean Paul Gaultier berichtet, wie Berlin und seine Ikonen ihn bei der Arbeit für „The One“ beeinflusst haben und von der gelungenen Zusammenarbeit mit dem Team des Palastes.
2014
Der französische Modedesigner Jean Paul Gaultier berichtet, wie Berlin und seine Ikonen ihn bei der Arbeit für „The One“ beeinflusst haben und von der gelungenen Zusammenarbeit mit dem Team des Friedrichstadt-Palastes.
2019Zum Jubiläum lädt der Friedrichstadt-Palast keine Prominenz, sondern 1.900 Berliner:innen ein: aus Krankenhäusern, von der Feuerwehr, der Polizei und aus Hilfseinrichtungen, Menschen, die sich freiwillig und ehrenamtlich für das Gemeinwohl engagieren.
2019
Große Verdienste statt großer Namen: Zum 100-jährigen Bestehen seiner Bühne lädt der Friedrichstadt-Palast keine Prominenz, sondern 1.900 Berliner:innen ein. Menschen aus Krankenhäusern, von der Feuerwehr, der Polizei und aus Hilfseinrichtungen, Menschen, die sich freiwillig und ehrenamtlich für das Gemeinwohl engagieren, kommen in den Genuss einer kostenlosen Vorstellung und im Anschluss einer rauschenden Geburtstagsparty.
Vor 100 Jahren beginnt die bewegte Bühnengeschichte des Friedrichstadt-Palastes: Am 29. November 1919 eröffnet der jüdische Theatervisionär Max Reinhardt das Große Schauspielhaus, den Vorgängerbau des Palastes. Im Jahr 2019 nimmt der Friedrichstadt-Palast die Theatervision seines Gründers erneut auf und veranstaltet eine Feier „An Alle!“, in Anlehnung an den Titel der ersten Revue von Erik Charell im Großen Schauspielhaus 1924. Bevor die VIVID Grand Show die Gäste begeistert, zeigt der Palast einen vom Verwaltungsdirektor und Kurator des Bühnenjubiläums Guido Herrmann konzipierten Kurzfilm über die Geschichte des Hauses.
Zur Feier des Bühnenjubiläums weht auch eine Flagge mit Davidstern und der Aufschrift „Jüdische Wurzeln seit 1919“ vor dem Haupteingang . Damit steht der Palast eindeutig zu seinem jüdischen Erbe. Auch weil die Persönlichkeiten, die den Ruhm des Hauses entscheidend begründet haben, Max Reinhardt, Erik Charell, Hans Poelzig und dessen Frau und Arbeitspartnerin Marlene, aufgrund ihrer jüdischen Abstammung, ihrer Homosexualität oder ihrer als entartet geltenden Architektursprache unter der NS-Diktatur gelitten haben, setzt sich der Palast mit Beginn der Intendanz von Dr. Berndt Schmidt im Jahr 2007 ganz bewusst für Freiheit, Vielfalt und Demokratie ein.
Video:
Konzept: Guido Herrmann
Umsetzung: Ben Mauser, Extended Cut
Premiere: 29.11.2019
Bild- und Videomaterial: Archiv Friedrichstadt-Palast | Stadtmuseum Berlin | PROGRESS.film | Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv | TU Berlin Architekturmuseum | Ullstein Bild / Bodo Niemann | Foto Erik Charell: Deutsche Kinemathek | Foto Theater des Volkes: © bpk / Kunstbibliothek, SMB, Photothek Willy Römer / Willy Römer | Foto Hans Poelzig: Rheinisches Bildarchiv Köln, rba_216477
2020Am 11. Juli sollte die Dernière der Jubiläumsspielzeit stattfinden. Im März 2020, nur vier Monate nach dem 100-jährigen Bühnenjubiläum, kommt jedoch alles anders: Durch die Corona-Pandemie findet der Spielbetrieb für 17 Monate ein jähes Ende.
2020
Normalerweise hätte am 11. Juli 2020 die Dernière der Jubiläumsspielzeit stattgefunden. Noch am 29. November 2019 feiert der Palast gemeinsam mit 1.900 Berliner:innen das 100-jährige Bühnenjubiläum und erlebt ein Rekordjahr mit der VIVID Grand Show und 545.000 Gästen. Im März 2020 kommt jedoch alles anders: Durch die Corona-Pandemie findet der Spielbetrieb für 17 Monate ein jähes Ende. Die Dernière der VIVID Grand Show und die geplante neue Produktion müssen auf 2021 verschoben werden.
20201984 wird der neue Friedrichstadt-Palast nach nur 39 Monaten Bauzeit als letzter Repräsentationsbau der DDR vor der Wende eröffnet. Nun wird der zeitgenössische Plattenbau mit seinen Anklängen an Jugendstil und Art Déco unter Denkmalschutz gestellt.
2020
Erst im vergangenen Jahr feierte der Palast sein 100-jähriges Bühnenjubiläum, nun wird der neue Friedrichstadt-Palast Berlin, der 1984 als letzter Repräsentationsbau der DDR vor der Wende eröffnete, unter Denkmalschutz gestellt.
Als zeitgenössischer Plattenbau mit Anklängen an Jugendstil und Art Déco stellt der Palast laut Landesdenkmalamt Berlin gleichzeitig den Höhe- und Endpunkt der Epoche der DDR-„Paläste“ dar. „Viele aus unserem heutigen Ensemble wurden in der DDR geboren und haben ihr Berufsleben dem Palast gewidmet. Was wir heute sind, verdanken wir auch ihnen. Die heutige Unterschutzstellung ehrt die Schöpfer, die Baukollektive und ebenso diese Biographien“, sagt Intendant Berndt Schmidt anlässlich der Feierstunde im Foyer des Palastes.
Der Palast wurde 1981-1984 in nur 39 Monaten Bauzeit fertiggestellt. Einen Eindruck von den damaligen Bauarbeiten gibt dieses Fundstück aus dem Archiv.
98% Weiterempfehlung
96% Weiterempfehlung
Zertifikat für Exzellenz
Gewinner 2012-2023
Deutschlands bestbewertetes
Show-Theater*
*Gemessen an der Gesamtzahl der
5-Sterne-Bewertungen
Adresse
Friedrichstadt-Palast Berlin
Friedrichstraße 107
10117 Berlin-Mitte
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2024-04-29 16:45:18 | 1714409118
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